Mit der Zeit wussten alle den Grund zur Freude von Rostkatze. Und natürlich hatten ihn Tukan, Affe und Nilpferd herausgefunden. Sie hatten nämlich beobachtet, wie sich an dem vorletzten Tag vor den Freien Ozelot nicht neben sie setzte, sondern neben Rostkatze. Am folgenden Tag passierte das gleiche. Anscheinend waren Rostkatze und Ozelot zusammen. Das hatte Ozelot also verschwiegen.
Tukan fand, dass die beiden wirklich besser zueinander passten als Rostkatze und Leopard. Sie waren auch gleichgross und konnten sich gegenseitig nicht fressen.
Tukan hatte tatsächlich die Vermutung gehabt, dass es so war. Er hatte richtig gelegen.
Die Dschungelfreunde
Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot wollen herausfinden, ob Leopard in Rostkatze verliebt ist. Aber was ist mit Rostkatze los? Seit einer Verabredung verhält sie sich seltsam! Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot sind bereit, das Rätsel zu lösen...
Kapitel 10 oder Letztes Kapitel: Ozelot statt Leopard
Kapitel 9: Alt-neue Pausenzeit
Tukan, Affe und Nilpferd hatten nicht sehr viel herausfinden können.
Ozelot blieb viel länger als gedacht. Als er schließlich zu ihnen kam, waren sie mehr als gespannt auf das, was er sagen würde. Doch er ließ erst mal die 3 erzählen. Da sie nicht viel zu erzählen hatten, ging es bei ihnen recht schnell.
Dann berichtete Ozelot: "Ich habe Rostkatze gefragt, was mit ihr letztens los ist. Nach ein bisschen Protest hat sie geantwortet. Sie hat gesagt, dass sie als sie die Sache mit Jaguar und Zwergameisenbär gesehen hat, darauf gekommen ist, dass Leopard eigentlich ihr natürlicher Fressfeind ist. Deshalb wäre es sehr schlecht, wenn sie weiterhin in ihn verknallt ist. Schließlich hat sie es sogar überwunden und versucht, ihn und solche, die so ähnlich sind wie er, zu meiden. Das hat geklappt und zu ihrem Glück ist sie nicht mehr in ihn. Jetzt versteht ihr bestimmt auch, warum sie ihren Liebesbrief vernichtet hat, oder? Ich habe sie außerdem gefragt, was er jetzt eigentlich von ihr hält, und sie hat gesagt, nicht viel. Habt ihr noch Fragen?"
Tukan hatte sehr wohl eine Frage auf der Zunge, nämlich, was er ihnen verheimlichte, aber er traute sich immer noch nicht, ihn zu fragen, und schüttelte nur den Kopf und wackelte mit dem Schnabel.
Nilpferd war in seine Träume von der Obstinsel versunken und Affe grübelte über das, was Ozelot gesagt hatte. Warum war er wohl nicht schon früher darauf gekommen? Es war doch so logisch, so offensichtlich!
Wider Tukans Erwartungen verlor Ozelot kein einziges Wort über das, was er ihnen verheimlichte.
Tukan, Affe, Ozelot und Nilpferd erzählten Leopard den Grund für Rostkatzes Verhalten genauestens und mit allen Details. Schnell verbreitete sich das Wissen darüber von Tier zu Tier und selbst die Lehrer wussten es am Ende. Sie waren sehr froh, denn sie dachten, Rostkatze sei durch den Unterricht darauf gekommen.
Aber das beste war: Rostkatze wurde wieder offener und gesprächiger und so langsam gewann sie Stück für Stück ihren alten Charakter zurück. Doch den Grund dafür kannte niemand... Niemand außer vielleicht einem einzigen Tier, doch niemand außer ihm selbst und Rostkatze wusste, wer es war, nicht einmal Anakonda. Tukan, Affe und Nilpferd rätselten lange daran. Ozelot war häufig weg. Und Tukan hatte schon eine grobe Vermutung, die er aber niemandem sagte, weil er nicht wusste, ob sie richtig war. (Ob sie nun richtig oder falsch war, wird sich jedoch erst im nächsten Kapitel herausstellen. Und daran wollen wir noch nicht denken.)
Die Ferien standen vor der Tür, die letzten Schultage gingen fröhlich zu. Frau Harpye war krank, Frau Nasenbär entschuldigt und Herr Gürteltier hatte schon selbst Urlaub genommen. Deshalb unterrichteten in der letzten Schulwoche nur noch Frau Wasserschwein, Herr Kaiman und Frau Aguti. Na ja, eher nur die beiden letzteren, denn wenn Frau Wasserschwein machte meistens freiwillig eine Freistunde, wenn die Tierkinder eigentlich mit ihr Unterricht haben sollten. Weil Frau Harpye und Frau Nasenbär nicht da waren, wurde die Pause, die die beiden auf ein Drittel der normalen Pausenzeit reduziert hatten, wieder verlängert. Tukan, Affe, Ozelot, Nilpferd, Rostkatze, Leopard, Tapir, Jaguar, Kasuar, Krokodil, Chamäleon, Nebelparder, Okapi, Hyazinthara, Zwergameisenbär, Papagei, Paradiesvogel, Faultier, Ameisenbär und Anakonda (also alle Tierkinder, die auf diese Schule gingen und deren Lehrer Frau Wasserschwein, Frau Aguti, Herr Kaiman, Herr Gürteltier, Frau Harpye und Frau Nasenbär waren) freuten sich und nutzten die volle Pausenzeit. Und sie kamen auch nicht mehr so früh, aber sehr müde zur Schule, sondern sie ließen sich wieder Zeit und es dauerte den ganzen Vormittag bis zur Pause, bis endlich alle angekommen waren. Also vorausgesetzt, es war niemand krank. Und das war nicht der Fall, da wieder alle kerngesund, voller Energie und Lebensfreude und guter Dinge waren.
Kapitel 8: Ozelot verschweigt etwas
Erst am nächsten Tag fing sie an, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken. Zuerst beachtete sie nur Ozelot, dann mit der Zeit auch Tukan und schließlich sogar Affe und Nilpferd.
An den Tagen darauf hatte sie offenbar ein recht zerstörerisches Ziel: Leopards Briefkasten. In den Pausen fummelte sie an ihm herum, aber Leopard bekam nichts davon mit. Deshalb wollten Tukan, Affe und Nilpferd ihn warnen und es ihm sagen. Ozelot beschloss, bei Leopards Briefkasten zu bleiben und ihn zu bewachen. Die anderen 3 waren sehr einverstanden, denn sie wussten sehr genau, dass er die schärfsten Augen und besten Ohren hatten und Rostkatze am besten beobachten konnten. Also tapsten sie los und fanden Leopard bald darauf mit seinen Fans unter einer Palme vor. Sofort erzählten Affe und Tukan drauflos und Leopard konnte weder noch verstehen, weil sie beide wirr durcheinander plapperten. Deshalb erklärte es ihm am Ende Nilpferd in langsam ausgesprochenen, verständlichen Wörtern und er begriff. Er war allerdings nicht schockiert und sagte nur, sie sollten sie ruhig machen lassen, denn an den Briefen läge ihm sowieso nicht sehr viel. Tukan, Affe und Nilpferd waren sofort sehr beruhigt und gingen wieder zu Ozelot. Dieser lief zu einem dichten Dickicht und sie folgten ihm. Dort erzählte er: "Ich hab gesehen, dass Rostkatze es geschafft hat, seinen Briefkasten zu öffnen. Sie hat ihn zerkratzt, was bei ihren scharfen Krallen ein leichtes war, denn er war ja aus Rinde, Gras und Moos. Dann hat sie alle Briefe gelesen, offenbar auf der Suche nach einem bestimmten. Schließlich hat sie ihn gefunden. Es war der Liebesbrief, den sie ihm früher geschrieben hat. Wisst ihr noch? Also. Es ging so weiter, dass sie erst einmal ganz viel rumgefaucht hat und nicht wusste, was sie tun sollte. Dann hat sie, das hab ich gesehen, ihren ganzen Mut und Willen dafür gebraucht, den Brief in ganz viele Stücke zu zerreißen. Die hat sie dann vernichtet. Und wisst ihr, wie? Sie hat sie einfach gefressen. Ungesund. Hätte ich an ihrer Stelle nicht einfach so gemacht. Dann..."
"Okay, okay, das reicht", sagte Tukan und breitete die Flügel aus. "Hm. Was meint ihr? Hat Leopard ihr irgendwas getan? Haben sie vielleicht gestritten? Nein, das kann nicht sein. Ich hab die beiden auf der Verabredung ganz genau beobachtet. Wenn überhaupt hat Jaguar was gemacht. Er wollte doch Zwergameisenbär fressen, und genau ab dem Moment war Rostkatze so verstört. Leopard hatte damit eigentlich nichts zu tun. Er hat auf der ganzen Verabredung nicht einmal etwas zu ihr gesagt. Das kann nicht wirklich an ihm liegen." Er schaute zu Ozelot, der plötzlich geistesabwesend wirkte. Plötzlich hatte Tukan das Gefühl, dass er ihnen etwas verschwieg. Aber er traute sich nicht, nachzufragen, denn Ozelot war jetzt schon richtig befreundet mit ihm. Ach, warum hatte er ihn nur unterbrochen, nachden er "Dann..." gesagt hatte! Er hätte ihn ausreden lassen sollen, denn dann wäre womöglich alles herausgekommen. Aber es war zu spät und Ozelot würde es ihnen jetzt nicht mehr sagen. Jetzt hatten sie noch ein Geheimnis zu lösen. Zumindest glaubte Tukan nicht, dass es etwas schreckliches war. Das traute er Ozelot wirklich nicht zu.
Plötzlich erhob sich Ozelot und kletterte auf einen Baum. Tukan nutzte seine Abwesenheit, um Nilpferd und Affe seine Gedanken zu offenbaren. Diese fanden Ozelot sofort höchst merkwürdig und sahen natürlich zuerst misstrauisch zu ihm herauf, was nun wirklich extrem wenig brachte.
Als Ozelot schließlich wieder herunter kam, taten die 3 so, als wüssten sie von nichts und würden nicht einmal im Traum daran denken, Verdacht zu schöpfen.
"Wollen wir es so machen, dass du nächste Pause Rostkatze ansprichst, während wir Leopard ausfragen, ob er etwas weiß, Ozelot?", fragte Tukan deshalb scheinheilig.
Ozelot stimmte von ganzen Herzen zu.
Wenn er so begeistert ist, dann erzählt er nächste Pause bestimmt sein Geheimnis!, dachte Tukan froh.
Die Pause war vorbei.
Der Nahrungsunterricht mit Frau Wasserschwein (für die Allesfresser), mit Frau Aguti (für die Pflanzenfresser) und mit Herr Kaiman (für die Raubtiere) war nur für Rostkatze und Anakonda interessant.
Beim Mittagessen kam nicht viel heraus.
Der Heimweg war langweilig.
Auf die übliche Besprechung verzichteten Tukan, Affe, Ozelot und Nilpferd, weil sie wussten, dass sie diesmal nicht sehr nützlich sein würde. Außerdem schliefen sie alle sehr schnell ein.
Als am nächsten Morgen die Sonne früh ihr Bett verließ, immer höher stieg und eine rote Farbe annahm, wachten alle gleichzeitig auf. Dann machten sie sich auf den Weg. Sie waren nicht sonderlich guter Dinge, denn der Tag würde sofort mit Rechtschreibung-Grammatik-Zeichensetzung-Unterricht von Frau Harpye und Frau Nasenbär anfangen. Die beiden waren streng und es machte nie Spaß, wenn sie dabei waren. Alle mochten Frau Wasserschwein, Herr Kaiman, Frau Aguti und Herr Gürteltier viel lieber.
In der Pause (auf die alle sehnsüchtig gewartet hatten), führten Tukan, Affe, Ozelot und Nilpferd ihren Plan durch.
Nachdem er Rostkatze gesichtet hatte, verschwand Ozelot in ihre Richtung. Noch einmal merkte Tukan, dass er ihnen etwas verheimlichte.
Tukan, Affe und Nilpferd sahen ihm noch kurz nach, dann gingen auch sie ihres Weges und begaben sich zu Leopard, um ihn auszufragen.
Kapitel 7: Die gesprächige Rostkatze und die schweigsame Rostkatze
Zum Glück hatte sich die Stimmung am nächsten Morgen wesentlich gebessert und die 4 konnten wieder miteinander reden wie normale Freunde. Vor allem stärkte es ihre Freundschaft und Zusammenarbeit, dass der Tag mit Rechtschreibung-Grammatik-Zeichensetzung-Unterricht von Frau Harpye begann, und bei Frau Harpye war der Begriff "vereint von der Not" bei jedem Freund geläufig.
In der Pause bekamen die 4 detektivischen Freunde Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot endlich mal wieder Beweisfutter. Und damit hatten sie wieder etwas für ihre Besprechungen. Na ja, so nützlich war es gar nicht, aber es bestätigte zumindest einige Vermutungen von Ozelot. Leopard blieb nämlich plötzlich stehen und drehte sich zu seinen Fans um. Und er musterte sie mit dem selben Blick, der Ozelot so viel über Leopards Innenleben verraten hatte. Es war der Blick, der verriet, dass Leopard seine Fans nicht wollte, dass sie zu viele waren, dass er sie lästig fand, ja, dass sie ihn belästigten und ihm jede Freiheit nahmen, weil sie ihm auf Schritt und Tritt folgten und immer an seinen Fersen hingen und ihn so einigermaßen beengten und bedrängten, weil er so keine wirkliche Privatsphäre hatte. Und es gab nur sehr, sehr wenige, die diesen Blick deuten konnten. Dazu gehörten Ozelot, Affe, Tukan, Nilpferd und Rostkatze, die Leopard offenbar auch die meisten seiner Gedanken von den Augen lesen konnte. Sie war ja auch in ihn verknallt und schien ihn gut kennen zu müssen. Und dann konnten diesen Blick vielleicht noch ein paar andere lesen, aber sie wollten es sich nicht vorstellen, weil sie es nicht glauben wollten, dass er sie lästig fand. Jaguar zum Beispiel konnte den Blick lesen, und Nebelparder wahrscheinlich auch, weil es zu ihm passte.
Leopard fixierte seinen Blick nun auf Rostkatze. Er betrachtete sie lange, dann schaute er noch einmal kurz zu seinen Fans, dann schaute er wieder zu Rostkatze und dann drehte er sich seufzend wieder um und schlich auf seinen rosettenübersäten, weichen, lautlosen Pfoten weiter. Und (ohne dass er es wollte) verfolgten ihn seine Fans wieder. Weil er nicht mit ihnen redete, wie er es normalerweise tat, begannen sie zu flüstern. Schon bald flüsterten sie über alles mögliche und schließlich schrien sie durcheinander, bis Tapir schließlich zu Leopard trampelte und ihn lautstark fragte, ob sie sich am nächsten Tag verabreden wollten. Sofort hörten ihn die anderen und schrien, dass sie auch dabeisein wollten, weil es sonst ihrer Ansicht nach unfair war. Leopard konnte nicht anders und stimmte zu.
Schon bald war die Verabredung und Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot kamen. Und... Anakonda. Obwohl sie niemand eingeladen hatte.
Am Anfang machten die Tiere, die sich verabredeten, einen Ausflug durch den Dschungel. Die Raubtiere unter ihnen machten währenddessen schon Jagd auf Kleintiere, die nicht mit ihnen auf eine Schule gingen. Jaguar hätte sogar fast Zwergameisenbär gefressen, aber in letzter Sekunde hatte er ihre Stimme erkannt, als sie verängstigt piepste: "Ich bin Zwergameisenbär! Friss mich bitte nicht, Jaguar!" Nach dieser Situation wurde Rostkatze irgendwie schweigsam und sagte für den ganzen Rest des Tages nichts mehr. Außerdem achtete sie plötzlich darauf, so leise wie möglich zu schleichen und nicht wie normalerweise unbeholfen zu tapsen. Und das auffälligste war: Sie vermied Leopard. Am nächsten Tag ging das in der Schule genauso. Sie versteckte sich unter den Fans, wollte plötzlich nicht mehr wie früher neben Leopard auf dem Baum sitzen, war während dem Unterricht andauernd nervös und warf ab und zu Blicke auf Leopard oder andere Raubtiere, die größer waren als sie, zum Beispiel Jaguar oder Nebelparder. Das ging ganze Wochen so. Sie hatte sich völlig verändert. Sie war nicht mehr die vergnügte, gesprächige Rostkatze, die sich sogar mit einem Liebesbrief an Leopard, den Haupt-Quatschmacher, zum Gespött und Gesprächsthema der Klasse machte. Jetzt war sie eine stille, nervöse, unauffällige Rostkatze, die sich dauernd umschaute. Das fanden Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot sehr merkwürdig. Sie wollten herausfinden, was seit kurzer Zeit in Rostkatzes kleinem, platten Kopf vorging. Deshalb hielten sie schon bald wieder an einem Abend eine Besprechung und sammelten Ideen, was in Rostkatze gefahren sein könnte. Genauer gesagt, sie wollten Ideen sammeln, hatten aber keine und tauschten einfach aus, was sie so für Beobachtungen über Rostkatzes Verhalten gemacht hatten.
"Mir ist aufgefallen, dass sie seitdem viel aufmerksamer beim Überlebens-Unterricht ist und viel ängstlicher beim Nahrungs-Unterricht schaut", erklärte Affe.
"Ich finde, dass Rostkatze viel sympathischer war, als sie noch normal war. Ich mochte sie sogar sehr gerne - ich mochte sie. Ich mag sie aber nicht mehr, seit sie so anders ist, wie sie jetzt ist", sagte Ozelot.
"Aha, du mochtest sie also!", stichelte Tukan und lachte kurz. "Na ja, zur Sache. Meine Beobachtung ist, dass sie Leopard seitdem extrem stark aus dem Weg geht. Das ist schon wirklich auffällig! Sie war doch so doll in ihn verknallt! Hm, sehr rätselhaft, das ganze. In der Sache müssten wir auf jeden Fall mal nachforschen, damit endlich Klarheit herrscht. Auf jeden Fall ist jetzt jedenfalls Nilpferd dran mit Beobachtungen. Nilpferd, was ist dir aufgefallen?"
"Rostkatze hat jetzt noch mehr Angst vor Frau Harpye", sagte Nilpferd langsam.
"Das stimmt! Früher hat sie ja sogar noch manchmal Widerstand gegen Frau Harpye geleistet! Wisst ihr noch, wie sie uns damals für einen Streich gegen Frau Harpye anzetteln wollte?" Tukan kicherte.
"Oh ja! Das war doch irgendwie so ein aus Blättern gemachter Apparat, um Frau Harpye eine Feder vom Fügel zu zupfen und sie dann damit zu kitzeln oder so... Eine sehr schlaue Erfindung eigentlich...", sagte Affe.
"Hm, na ja, egal. Wir wollten ja eigentlich über die komische Sache mit Rostkatze reden", sagte Tukan. "Habt ihr noch weitere Beobachtungen aufgestellt?"
Affe, Ozelot und Nilpferd schüttelten die Köpfe.
"Dann müssen wir eben noch welche machen!", rief Tukan. "Und zwar morgen in der Pause. Wir mischen uns einfach wieder unter die Fans und beschatten diesmal nicht Leopard, sondern Rostkatze. Ein super Plan, oder? Das machen wir. Oder habt ihr noch andere Ideen?"
Wieder schüttelten Affe, Ozelot und Nilpferd die Köpfe. Also war es beschlossene Sache, dass sie Tukans sehr schlichten Plan durchführten.
Schon in der nächsten Pause waren sie bereit, irgendetwas herauszufinden.
Tapir schlug vor, Verstecken-Fangen zu spielen. Leopard war der Fänger. Er stellte sich hinter eine sehr breite Palme und konnte nichts sehen. Dann zählte er bis 30 und sah sich um. Mit seinen scharfen Augen konnte er sofort sehen, dass der schwerfällige Tapir sich hinter einem Busch versteckte. Leopard sprintete los und hatte sich vor Tapir aufgebaut, bevor dieser sich ein anderes Versteck suchen konnte. Die beiden suchten weiter und fanden Nilpferd, der sich nicht sehr große Mühe gab, ungesehen zu bleiben. Zu dritt fanden sie auf einmal noch Tukan und Affe. Danach spürten sie Chamäleon auf, den sie nur gesehen hatten, weil er ihnen die Zunge herausgestreckt hatte. Danach entdeckten sie Kasuar und etwas später Jaguar, der sich dadurch verraten hatte, dass er sich ständig bewegte. Schließlich fanden sie sogar Krokodil, der so getan hatte, als wäre er ein Baumstamm. Dann fanden sie Ozelot und kurz darauf auch noch Nebelparder. Doch Rostkatze blieb unentdeckt. Ozelot, Leopard und Affe kletterten auf Bäume, weil sie dachten, von oben könnten sie sie besser entdecken. Tukan hüpfte neben ihnen auf den Ästen herum und flog ab und zu ein bisschen. Chamäleon spionierte hinter großen Blättern. Nebelparder und Jaguar schlichen lautlos um den ganzen Schulhof. Kasuar stürmte mit seinen langen Beinen und seinem beängstigenden langen Hals von Baum zu Baum und sah nach, ob Rostkatze sich daminter versteckte. Krokodil legte sich in einen kleinen Pfuhl und beobachtete von dort aus alles, was sich bewegte. Nur seine Augen und Nasenlöcher ragten aus der Oberfläche, aber sie waren gut getarnt. Das Versteck-Spiel war gut geeignet, um das Überleben zu trainieren. Na ja, Nilpferd lag in einem Tümpel und schlief.
Gegen Pausenende fragte Leopard Ozelot, Affe und Tukan: "Wisst ihr, was seit der Verabredung mit Rostkatze ist?"
"Nein, und wir wollen es herausfinden", sagte Ozelot.
"Weißt du es denn, Leopard?", fragte Tukan plötzlich.
Leopard schüttelte den Kopf. "Woher auch?"
"Wenn wir sie finden, fragen wir sie!", rief Affe. "Ich hab langsam genug von den Geheimnissen!"
Es dauerte noch eine Weile, bis sie die Chance dazu haben würden, Rostkatze danach zu fragen, was los sei. Manchmal schafften sie es, sie anzusprechen, aber sie schien zwar akustisch zu hören, nicht aber geistig zu verstehen, was sie zu ihr sagten, und war in Gedanken ganz weit weg. Sie antwortete nie und ihr Blick war auch nie auf Tukan, Affe, Ozelot und Nilpferd gerichtet, sondern auf Leopard und manchmal auch Jaguar und Nebelparder. Das half ihnen nicht sehr weiter.
Kapitel 6: Affe kriecht
Als Pause war, fragte Affe Leopard, ob er die Briefe schon gelesen habe. Obwohl er laut sprach und die Fans gar nicht so laut waren, schien Leopard ihn nicht zu hören. Das glaubte Affe aber nicht. Er dachte sofort ein wenig sauer, dass Leopard nur so tat, als ob. Aber weder noch. Er hatte die Frage gehört und sie verstanden und er schaute mit funkelnden, glühenden Augen zu Affe, als ob er antworten würde. Sie warteten, aber er antwortete doch nicht. Er knurrte nur und glühte. Und war hungrig. Deshalb bewegte er sich unter den Palmen lautlos und seine Fans im Schlepptau umher, auf der Jagd nach Beutetieren, die keine Klassenkameraden waren. Es war so schattig, dass niemand genau sah, wie er seine Beute tötete und fraß, fast niemand. Denn, und das wusste Ozelot, der scharfe Augen und gute Ohren hatte, genau, ab dem Moment, wo Rostkatze über sie gesiegt hatte, lauerte sie immer irgendwo dort, wo der Schatten am tiefsten und schwärzten und undurchdringlichsten wirkte und beobachtete Leopard hasserfüllt und rachsüchtig mit ihren adlerscharfen, gelb leuchtenden, seit dem Moment ihrer Niederlage bedrohlich zusammengekniffenen Augen. Sie folgte Leopard auf Schritt und Tritt, und auch wenn er sie bemrkt hätte, hätte er sie nicht loswerden können, vorausgesetzt, er ging das Risiko eines zweiten Kampfes ein. Und das tat er nicht, seit er wusste, was richtige Angst war und wie es war, wenn man nicht im Vorteil war.
Als die Schule vorbei war, legte sich Leopard wieder mal ins hohe Gras und wartete, bis alle Fans, außer vielleicht Rostkatze, gegangen waren. Und wieder beobachteten ihn Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot. Sie mussten herausfinden, was er über Rostkatze dachte.
Ozelot, der die schärfsten Augen und die besten Ohren und die Nase mit dem am weitesten entwickelten Spürsinn hatte, sah mehr als die anderen und konnte Leopard manch einen Gedanken von seinen großen, gelb-orangenen Augen ablesen, die inzwischen irgendwie müde wirkten.
Ozelot erkannte, dass Leopard Tukans, Affes, Nilpferds und Ozelots Briefe alle gelesen hatte und gemerkt hatte, dass sie alle auf das gleiche hinauswollten: Was er über Rostkatze dachte. Er wusste, dass sie sich unter der Hülle eines fanatischen Fans versteckten, um mehr über ihn und seine Gedanken über Rostkatze herausfinden zu können, und dass sie alle unter einer Decke steckten. Ihm war offenbar mit seinen großen gelben Augen auch aufgefallen, dass sie sich seit kurzem so verhielten wie (ein wenig unprofessionelle) Detektive, und dass sie bei jeder Gelegenheit die Köpfe zusammensteckten. Er war bei weitem intelligenter, als man je vermutet hätte, denn auch er hatte noch eine andere Seite, als die des "quatschigen" Quereinsteigers mit den vielen OJEs und Fans. Auch er schien sich manchmal unter einer Hülle zu verstecken, die sein Inneres verbarg. Tief in ihm steckte etwas, das weder wild und unbesiegbar noch listig und bösartig war; das waren die Seiten, die er in der Schule von sich zeigte. Aber es gab noch etwas drittes, das er vermutlich gezeigt hatte, als er allein (also eigentlich beobachtet von Anakonda und Tukan, Affe, Ozelot und Nilpferd) mit Rostkatze im Schatten der großen Palme geglüht, gefunkelt und geleuchtet und geschwiegen hatte, und das er entwickelt hatte, als er Anakonda gegenüber klein und wehrlos und verlassen ausgesehen hatte. Ozelot konnte nicht genau erkennen, was es war, aber es war etwas, das anders war als die anderen Seiten von ihm. Es war dieses Gefühl, nicht im Vorteil zu sein, und die Angst... Nein... Nicht ganz. Ein Gefühl war ja nicht die Seite von jemandem. Vielleicht war es das gerechte in ihm, das er beim Kampf gegen Anakonda erst richtig gespürt hatte; die Gerechtigkeit... Aber nicht nur das, sondern auch... Wahrscheinlich auch das, mit dessen Hilfe er sein so seltenes samtweiches und nicht raues Schnurren (ja, Schnurren, nicht Knurren) zustande gebracht hatte. Es war, alles in allem, das Gute in ihm. Er war sehr gewachsen, seit er zum ersten Mal nicht im Vorteil, sondern im Nachteil gewesen war. Nicht körperlich war er gewachsen, sondern geistig.
Außerdem sah Ozelot, dass Leopard es manchmal gar nicht wollte, dass er so viele Fans hatte. Er wünschte sich manchmal anscheinend, er wäre einfach ein ganz normaler Schüler, der nicht gut lernte, aber auch nicht in der ganzen Klasse berühmt war. So einer wie zum beispiel Jaguar oder Nebelparder oder früher Ozelot.
Ozelot konnte sich ein ein wenig schadenfrohes Schmunzeln nicht verkneifen. Endlich waren die vielen Fans von Leopard ein Nachteil! Das hatte Leopard davon, Ozelot so rücksichtslos verdrängt und missachtet und herablassend und gedehnt lachend auf ihn herabgeschaut hatte, als wäre er eine kleine Ameise, die starb, weil sie es nicht schaffte, einen Krümel auf dem Rücken zu tragen. Aber dieser Leopard war er jetzt nicht mehr ganz, da das Gute in ihm endlich erwacht war.
Das alles hatte Ozelot herausgefunden, aber einen Gedanken über Rostkatze konnte er Leopard nirgends von den Augen lesen.
Inzwischen hatte Leopards geflecktes, von dunklen Rosetten übersätes Gesicht, das Ozelot früher einmal so gehasst hatte wie das eines massenmörderischen Monsters, einen nachdenklichen Gesichtsausdruck angenommen und seine Augen waren nur noch halb geöffnet. Dann drehte er seinen Kopf - o Schreck - zu seinen Beobachtern, und er sah sie. Allerdings erkannte er nicht, dass Ozelot so viel über ihn gesehen hatte. Er ahnte es nicht einmal ansatzweise. Seufzend drehte er seinen Kopf wieder in die andere Richtung, und sie waren wieder da, wie sie es schon einmal gewesen waren: Rostkatzes grün-gelbe, kleine Augen.
Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot schauten gebannt zu, was passierte, auch wenn Leopard die 4 Freunde schon gesehen hatte. Und natürlich (was sie sich aber auch wirklich hätten denken können) passierte nichts - das heißt, nicht viel. Denn Leopard wusste ja, dass sie ihn sehen konnten und jede Bewegung von ihm angespannt, aber auch neugierig und interessiert beobachteten. Und er wusste dadurch umso mehr, dass er ihnen nicht vertrauen konnte, weil sie immer (auch wenn Nilpferd sie nicht verstand) ihre eigenen Zwecke verfolgten. Und das schlaue Hirn dieser Sachen war Tukan. Leopard musterte seinen großen, beim Fliegen hinderlichen Schnabel, seinen kleinen, schwarzen Körper mit dem weißen Kopf mit den kleinen schwarzen Knopfaugen und der gelben Brust und den winzigen orangenen Füßen, die beim Klettern behilflich waren, und, obwohl er ihn schon angesehen hatte, den knallbunten, einfach unverzichtbaren riesengroßen Schnabel, ohne den Tukan nicht Tukan wäre.
Rostkatze schien die 4 detektivischen Tierfreunde offenbar ebenfalls bemerkt zu haben, und enttäuscht machte sie sich aus dem Staub. Enttäuscht, obwohl sie Tukan, Affe, Nilpferd und Leopard doch so gemocht hatte, als sie ihr gegen Anakonda geholfen hatten. Aber Leopard hatte eben Vorrang, das war ja auch natürlich. Tukan und Ozelot verstanden das. Nilpferd nicht. Aber er kam bei der ganzen Sache sowieso nicht ganz mit und konnte es nicht vermeiden, ab und zu gelangweilt zu gähnen und von seinem Tümpel in der Schule oder der Obstinsel, an die er so fest glaubte, dass er manchmal nicht aufhören konnte, von ihr schöne Illusionen zu haben, zu träumen.
Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot trotteten schwerfällig und nicht sehr fröhlich zu Tukans Baum.
Tukan trippelte unbeholfen auf seinen kurzen Beinchen, die fürs Klettern immer so nützlich waren, allen voran und schlug ab und zu mit den Flügeln.
Affe hatte gerade sogar die Lust am Klettern und Hangeln verloren, weil er den Tag für so erfolglos hielt, und kroch beinahe am Boden, so schlaff ließ er seine langen Arme zwischen seinen braunen Beinen auf dem Boden schleifen.
Hinter Affe schlich Ozelot, der nur schleichen konnte. Wären seine Pfoten weniger weich und mehr wie große Pranken, hätte er mit Vergnügen einen gigantischen Riesenkrach verursacht und alle Dschungelbewohner in Aufruhr und Panik versetzt, denn es wäre ihm vollkommen egal gewesen.
Und zur guten Letzt kam Nilpferd, der das große Glück hatte, laute Füße zu haben, die bei jedem einzelnen Schritt ein plumpen, stumpfen, dumpfen Ton verursachten. Und bei zwei Fußbewegungen gleichzeitig war der Ton doppelt so laut, denn es war Nilpferds Natur, und, wie es so schön heißt, "doppelt gemoppelt hält besser". Ozelot wäre geplatzt vor Neid und Gram, aber er war viel zu grimmig und griesgrämig dafür, dass er schon gar keine Energie fürs Aufregen mehr hatte, und nicht besser konnte, als einfach niedergeschlagen und nicht einmal im Kopf kochend vor Wut hinter Affe herzuschleichen und sich tausend- und abertausendmal zu wünschen, doch um Himmels Willen laute Füße zu haben.
Als sie bei Tukans Baum angekommen waren, hielten sie nicht wie üblich eine Besprechung ab, sondern schwiegen. Und schwiegen und schwiegen und schwiegen. Und niemand wusste, was er sagen konnte. Und es wollte auch keiner etwas sagen. Also setzten sie die sinnlose und nicht spaßige Stille fort und niemand unternahm etwas gegen sie, indem er sie brach. Sie starrten sich gegenseitig an und wollten, dass jemand anderes etwas sagte. Besonders schlimm war das für Nilpferd, weil alle ihn anstarrten, obwohl er eigentlich nur vor sich hin träumen und nichts sagen wollte.
Tukan, der schlaue Tukan mit dem großen Schnabel und den kleinen Kletterfüßen, war gereizt und der letzte, der jetzt etwas sagen würde. Wenn sie in so einer Stimmung waren, konnte er nur grimmig und (vielleicht) gekünstelt die Schnabelwinkel (falls es so etwas gibt) hochziehen. Diese Erfahrung hatte jeder seiner 3 Freunde schon erlebt und wollte dieses Verhalten bei Tukan nicht fördern, da es für alle unangenehm anzusehen war.
Affe hasste es, wenn es still war und niemand etwas sagte. Früher hätte er liebend gerne ein Gespräch angefangen oder einen lustigen Witz erzählt, aber das ließ er sein, denn er wusste inzwischen genau, dass niemand darauf eingehen würde, und wenn, dann Nilpferd, aber Tukan und Ozelot würden die beiden anstarren und nur grummlige "Mhm"s von sich geben, die für Affe das unerträglichste waren, was seine Freunde hervorbringen konnten. Deshalb schwieg er wütend und mit jeder Sekunde, die still verging, stieg seine Wut und wurde zu Raserei. Und so wurde er rasend und (was er nicht wusste) lief sein haariger Kopf knallrot vor Wut an und wurde immer röter und immer röter.
Ozelot befand sich nicht gerade gerne in dieser Situation, aber immer mal wieder kam sie vor, auch wenn er mit allen Mitteln versuchte, sie möglichst zu vermeiden. Aber wenn diese angespannte Stille die 4 heimgesucht hatte, konnte er nichts dagegen machen und ergab sich und schwieg einfach, bis er müde wurde und gähnte, was im schlimmsten Fall mehrere Stunden dauern konnte.
Schließlich hielt Affe es einfach nicht mehr aus und ihm platzte der Kragen, weil er die unerträgliche Stille gründlich satt hatte. Wie ein Gorilla, der einen anderen Gorilla beeindrucken und erniedrigen wollte, sein Revier verteidigte oder einen Gegner beim Paarungskampf aus dem Weg räumen will trommelte er sich wütend mit den Fäusten von seinen langen Armen auf die Brust und stieß rasende Töne aus: "Raaah! Uaaah! U-a-aaa!" Das drückte aus, dass er sich gerade überhaupt nicht kontrollieren konnte und völlig überfordert von der Situation war.
Nilpferd schrickte erschrocken aus seinem Halbschlaf und sah Affe mit den schreckgeweiteten Augen eines verängstigten Kleinkinds an.
Tukan hielt sich die großen, schwarzen Flügel vor die Augen und zappelte instinktiv mit seinen kurzen Beinchen auf dem Ast herum.
Ozelot sog hörbar die Luft ein und warf Tukan und Nilpferd Blicke zu. Er hatte es bisher nur selten erlebt, dass Affe die Kontrolle verlor und sich nicht mehr beherrschen konnte.
Als Affe sich beruhigt hatte, sah er grimmig drein und fragte: "Was guckt ihr so? Ist natürlich. Meine Eltern rasten auch so ähnlich aus." Alle, selbst Nilpferd, der gerade sehr dümmlich aussah, merkten förmlich, dass er keine Lust darauf hatte, weiterhin zu schweigen.
Ozelot beeilte sich, zu sagen: "Okay, okay, Affe. Ähm... Was wollen wir heute besprechen?" Er sah hilflos in die Runde und lachte unsicher.
"Ich habe keine Idee", gab Nilpferd treuherzig zu und versank wieder in seinen Träumereien von der Obstinsel.
"Ich auch", murmelte Tukan. Sonst hatte er doch immer Ideen! Warum jetzt nicht?
"Na gut", sagte Ozelot griesgrämig. Er erzählte seine Beobachtungen über Ozelot. Leider halfen sie nicht viel weiter, insbesondere nicht beim Fall Rostkatze. Affe fand sie sinnlos und verstand sie nicht, Nilpferd hörte nicht zu und Tukan fand sie äußerst langweilig. Irgendwann brach Ozelot seinen Monolog trotzig ab, weil er ihm überhaupt keinen Spaß machte, sondern vielmehr nur frustrierte. Er mochte Monologe überhaupt nicht, vor allem, wenn das einzige, was die gelangweilten Zuhörer sagten, bohrende Fragen waren, die er nicht beantworten konnte. Deshalb hatte er einfach die Schnauze voll, von ihnen durchlöchert zu werden, und brach ab und sagte für den Rest des tages nur noch sehr, sehr wenig, damit der schweigsame Tukan sich genötigt fühlte, selbst seinen Schnabel zu öffnen.
Kapitel 5: Die Obstinsel
Zuerst sah es noch ganz gut für Rostkatze aus, aber mit der Zeit verschlechterte sich ihre Lage. Da der Zweikampf sehr lange dauerte und Anakonda geschickt und ausdauernd war, kam die arme Rostkatze schon nach einer Stunde völlig aus der Puste. Anakonda hatte sie in dieser einen Stunde schon fast umwickelt, ihr mehrmals Angst mit ihrer fürchterlichen Schalngenstimme, die nicht mehr und nicht weniger als ein bedrohliches Zischen war, eingejagt, ja, Anakonda hatte ihr mehrere Male in die Augen geschaut und ihr versprochen, dass sie sie töten würde, sie hatte oft zu Leopard geschaut und so nicht bemerkt, wie sich Anakonda ihr näherte, aber bisher war sie am Leben geblieben. Nun aber bestand keine große Hoffnung mehr, weil sie jetzt nämlich komplett aus der Puste war und einfach nicht mehr konnte. Sie rang nach Atem, hechelte, schwitzte an den Pfoten, schluckte, sah, wie Anakondas riesige, gelbe Augen sich ihr immer mehr näherten, konnte nichts unternehmen, weil sie auf dem Boden lag. Eine entsetzliche Stille hatte sich auf dem ganzen Schulhof ausgebreitet.
Und dann, dann war es um Rostkatze geschehen: Anakonda war direkt vor ihr und konnte sie jederzeit erwürgen. Eine Bewegung, und Anakonda schnappte sie. Dann war es soweit. Anakonda rückte noch mehr vor und erwürgte Rostkatze - fast! Denn Rostkatze war instinktiv mit letzter Kraft zurückgewichen und hatte die Flucht ergriffen. Ganz knapp war sie dem Tod entronnen.
Panisch rannte Rostkatze um ihr Leben, das sie beinahe fast verloren hätte. Die Angst - die Todesangst - hatte Rostkatze ergriffen.
Anakonda schlängelte ihr so schnell sie konnte hinterher. Schon bald hatten die beiden das Schulgelände entgültig verlassen.
Noch hatte Rostkatze einen satten Vorsprung, aber lange würde sie nicht mehr rennen können. Das Problem war, dass sie keine einzige Sekunde verlieren durfte. Blind vor Angst floh sie weit in den Dschungel hinein, weiterhin verfolgt von der wütenden Anakonda. Die Jagd dauerte lange, länger als gedacht.
Schließlich konnte Rostkatze nicht mehr weiter. Vor ihr lag ein tiefer Abgrund, der ihr den Weg versperrte. Rostkatze schlug ihre Augen weit auf. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, ihr Kopf war absolut leer. Sie saß in der Falle, denn Anakonda hatte sie mit Leichtigkeit eingeholt. Nun gab es weder Entrinnen noch Zurück mehr. Auf der einen Seite war der Abgrund, auf der anderen Anakonda.
Rostkatze hechelte und hechelte und... hechelte. Und schwitzte an den Pfoten, da sie an den Pfoten ihre Schweißdrüsen hatte. Sie genoss ihre womöglich letzten Momente nicht, nein, sie verbrachte sie in starrer Angst. Aber es waren nicht ihre letzten Momente, denn gerade zur richtigen Zeit kamen Tukan, Affe, Nilpferd, Ozelot und Leopard, die die beiden verfolgt hatten.
Leopard glühte und loderte und funkelte und sprühte Funken mit seinem Blick und knurrte.
Affe schnitt Grimassen, stieß verwirrende Töne aus und tänzelte umher.
Tukan flatterte direkt über Anakondas Kopf herum, damit sie nervös wurde.
Ozelot schnurrte, weil er ja nicht knurren konnte, und machte komischen Quatsch.
Nilpferd stampfte extralaut um Anakonda im Kreis herum, damit sie sich unsicher und beobachtet fühlte. Aber Anakonda ließ sich nur halb ablenken. Mit einem Auge schaute sie nämlich weiterhin zu Rostkatze und beobachtete, was diese machte. Und sie machte etwas, womit Anakonda nicht gerechnet hatte: Sie sprang todesmutig über ihren Kopf hinweg auf Anakondas Schwanz, dass diese schmerzverzerrt am Boden liegen bleiben musste, und jagte dann triumphierend und mit neuer Kraft zurück zum Schulhof. Mit der Hilfe der anderen hatte sie über Anakonda gesiegt!
In den darauf folgenden Tagen weigerten sich die meisten Tierkinder, zu lernen. Tapir, Chamäleon, Jaguar, Kasuar, Krokodil und Nebelparder wollten von Leopard, Rostkatze, Affe, Nilpferd und Ozelot alles über den Kampf wissen und die meisten Lehrer waren so interessiert, dass sie sogar vergaßen, zu unterrichten. Nur Frau Harpye und Frau Nasenbär bemühten sich vergeblich, die Schüler zum Lernen zu bringen. Selbst Herr Gürteltier, der alte strenge Herr Gürteltier, lauschte gebannt den Tierkindern, die wirr durcheinander drauflosquasselten.
Das einzige Tierkind, das immer noch lernen wollte, war Hyazinthara. Sie hatte kein bisschen Interesse für die Sache mit dem Kampf, weil da Männchen mitmachten und sie nichts mit dem Quatsch und den ganzen Dramen und sonstigen Aufsehen erregenden Sachen, die die Männchen machten, zu tun haben wollte. Eigentlich hätte Zwergameisenbär auch lieber gelernt, statt den brutalen Geschichten von den anderen zuzuhören, aber weil sie schreckliche Angst vor Frau Harpye und Frau Nasenbär hatte, ließ sie beides sein und versteckte sich einfach vor allen in der obersten Spitze der Baumkrone. Weil sie aber Angst hatte, nie wieder nach unten kommen zu können, kletterte sie wieder ein Stückchen nach unten.
Nach ein paar Wochen wusste jeder außer Hyazinthara und Zwergameisenbär genau jedes Detail vom Kampf und der darauf folgenden Verfolgungsjagd und alle fanden das wieder langweilig und lernten wieder besser.
Am Nachmittag trafen sich Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot wieder bei Tukans Palme und machten wieder eine von ihren üblichen Besprechungen, obwohl sie eigentlich nichts mehr so richtig zu besprechen hatten. Aber dem schlauen Tukan fiel eben doch noch etwas ein und so hatten sie wieder etwas zu besprechen.
"Leute", sagte er, "wir haben zwar jetzt schon sehr viel herausgefunden, beobachtet und erlebt, aber wir wissen trotzdem immer noch nicht, ob Leopard auch in Rostkatze verknallt ist oder ob er nur irgendetwas mit ihr hat oder ob er nur so tut oder was auch immer oder sonst was oder was weiß ich. Versuchen wir, das herauszufinden?"
"Ja!", riefen Affe, Nilpferd und Ozelot.
"Gut", sagte Tukan. "Was denkt ihr über Leopard? Ich habe gerade keinen konkreten Gedanken."
"Ich denke, dass Leopard auch in Rostkatze verknallt ist", sagte Affe sofort. "Und dass sich die beiden regelmäßig Liebesbriefe schreiben."
"Ich denke, dass Leopard nur so tut, dass er in Rostkatze verknallt ist", sagte Nilpferd mit seinem treuherzigen Gesichtsausdruck. Eigentlich dachte er gar nichts und hatte keine Vermutung, deshalb sagte er einfach irgendetwas, von dem Tukan geredet hatte.
"Ich denke, dass Leopard Rostkatze irgendwie mag, aber nicht so richtig in sie verknallt ist", schnurrte Ozelot nachdenklich.
"Wollen wir Leopard in der nächsten Pause einfach mal fragen?", fragte Affe.
"Und der, der richtig geraten hat, darf einen Ausflug zu einem See mit einer kleinen Insel mit Früchten drauf machen", schlug Nilpferd eifrig vor, der schon vergessen hatte, was er zu Leopards Gedanken über Rostkatze gesagt hatte.
"Lieber nicht, ich hab nicht so große Lust", sagte Ozelot. "Aber wenn du gewinnst, kannst du das machen. Nur eben, wenn ich zum Beispiel gewinne oder wenn Affe gewinnt, dann muss der das nicht machen. Und wenn du verlierst, kannst du das ja trotzdem machen, wenn du willst und wenn du diese Obstinsel kennst."
Am nächsten Tag gingen die 4 Freunde wieder gemeinsam zur Schule und waren mal wieder fast die frühesten. Sie suchten sich ein besonders großes stabiles Palmenblatt aus, das bei Freunden als Sitzplatz immer sehr begehrt war. Sie sagten Frau Wassrrschwein guten Morgen und schnappten sich Papyrus-Papiere (oder eben Papierblätter, die nicht aus Papyrus, sondern aus anderen Pflanzenblättern hergestellt waren). Schließlich war gerade Rechtschreibung-Grammatik-Zeichensetzung-Wiederholungs-Unterricht (also Briefeschreiben). Tukan, Affe und Ozelot wussten schon sofort, an wen sie schreiben wollten und was: Sie wollten alle in ihrem Brief Leopard fragen, wie er über Rostkatze dachte. Nur Nilpferd kam auf diese Idee nicht und träumte ein bisschen vor sich hin, weil er noch nicht ganz wach war. Und er war sowieso auch eher so ein Träumerchen.
Tukans Brief sah so aus, als er fertig war:
Hallo Leopard,
ich habe eine Frage an dich, die ich dir schon sehr lange stellen wollte: Was denkst du über Rostkatze? Wie ist deine Meinung zu ihr? Bist du zum Beispiel auch in sie verknallt oder tust nur so oder so? Bitte antworte irgendwann mal, du musst mir übrigens keinen Brief schreiben, sonder kannst mir das auch einfach sagen.
Tukan 🐦
Das war Affes Brief:
Hallo Leopard
Bist du in Rostkatze verknallt? Und schreibst du ihr aucch auch Liebesbriefe?
Affe🙈🐒
Ozelots Brief an Leopard war so:
Hast du was mit Rostkatze? Das denke ich nämlich, Leopard. Wahrscheinlich magst du Rostkatze irgendwie, aber bist nicht in sie verknallt. Sag mir bald, ob das stimmt.
OZELOT 😼😾🙀
Schließlich hatte Nilpferd bemerkt, was seine Freunde geschrieben haben und erinnerte sich wieder an seinen eigenen Verdacht über Leopard. Also schrieb er:
halo lepard
tus du nur so das du in roskaze veknalt bisd oder was sint daine gedancken?
ich bin nilpferd. shraib mir zurük. ich froie mih auf di antwot.
nilpferd🦛
(Kleine Anmerkung: Nilpferd unterlief ab und zu ein kleiner Rechtschreibfehler. Er hatte ja auch nicht seit der ersten Klasse Sprache als Fach.)
Sie gaben Leopard unauffällig und in regelmäßigen Abständen die Briefe, damit er keinen Verdacht schöpfte, dass sie unter einer Decke stecken könnten und sich fragten, was er von Rostkatze hielt. Weil fast alle Tiere Leopard Briefe gaben, bemerkte er gar nichts. Alle Briefe an ihn außer die von Nilpferd, Ozelot, Tukan und Affe (also die von Rostkatze, Tapir, Krokodil, Jaguar, Kasuar, Chamäleon, Nebelparder und Anakonda) ergaben nicht sehr viel Sinn und waren relativ uninteressant.
Tapir schrieb davon, wieviel er immer bei seinen Eltern und Geschwistern herumprahlte, dass er ein sehr offizieller und anerkannter Fan von Leopard war.
Anakonda drohte in ihrem Brief mit weiteren Angriffen auf Leopard und Kämpfen mit Rostkatze, aber jeder, der diesen Drohbrief gelesen hätte (was nicht vorkam, weil Leopard seine Briefe immer irgendwo still und heimlich im Schatten der Palmen las) hätte sofort gewusst, dass das nur leere Drohungen waren, die Leopard abschrecken und ihm Angst einjagen sollten, dass Anakonda sich aber gerade jetzt auf nie und nimmer damit lächerlich machen würde, einen erneuten Angriff zu starten, wo ihre Niederlage so offensichtlich war. Auf keinen Fall würde sie das tun, das wusste selbst die kleine Ameisenbär, die damit nicht im geringsten etwas zu tun haben wollte. Anakonda würde so lange warten und Rachepläne schmieden, bis Leopard oder Rostkatze selbst irgendeinen Fehler beging und selbst eine Niederlage gegen irgendwen anderes erlitt, und dann erst wieder zuschlagen. Dann würden die anderen Leopard oder Rostkatze auch nicht unterstützen und sie hätte freie Bahn.
Krokodil, Kasuar und Chamäleon schrieben davon, wie cool sie Leopard fanden und wie fanatisch sie von ihm waren. Anakonda hätte gedacht: Noch! Denn sie war ja davon überzeugt, dass Leopard irgendwann einen riesengroßen Fehler begehen und alle seine Fans verlieren würde.
Jaguar, der etwas intelligenter war, weil er sitzen geblieben war und so viel Erfahrung gesammelt hatte, schrieb nicht so einen sinnlosen, lächerlichen Quark, sondern schrieb an Leopard Pläne, was dieser den Lehrern für Streiche spielen konnte.
Nebelparder schrieb so ähnliche Sachen wie Krokodil, Kasuar und Chamäleon, aber sein Brief war noch kürzer, seine Schrift noch krakeliger und unlesbarer und ihm unterliefen noch mehr Rechtschreibfehler, die bei den Männchen allerdings hoch geachtet waren, da sie als ein Zeichen der "Quatschigkeit" und dem Widerstand gegen die übermächtigen, fehlerfreien, korrekten, strengen Lehrer gedeutet wurden.
Und Rostkatze, die gute Rostkatze, schrieb wieder einen ähnlichen Inhalt wie bei dem ersten skandalösen Liebesbrief, aber eben weniger extrem.
Kapitel 4: Ein Kampf ohne Blut
Am nächsten Morgen gingen Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot alle gemeinsam zur Schule. So waren sie auch alle gleich früh da, und zwar sehr früh; so früh, wie Tukan gewöhnlich immer zur Schule kam. Affe fand das etwas ungewöhnlich, so früh zu kommen, aber er fand es auch ganz cool, mal zu sehen, wie die große Palme aussah, wenn nicht schon alle längst da waren.
Frau Harpye war ganz baff, als sie sah, dass Ozelot mit Tukan, Affe und Nilpferd zur Schule kam, 3 ganz netten, normalen und nicht "quatschigen" Tierkindern. Fast hätte sie ihm schon ein OJE gegeben, weil sie dachte, dass er etwas gefährliches mit den 3 Freunden vorhatte, aber dann ließ sie das doch sein, weil Ozelot sich vernünftig und nicht irgendwie komisch niederließ und auch keine komischen Sachen machte, sondern sich nur leise mit Tukan, Affe und Nilpferd über Leopard austauschte. Das Thema war Frau Harpye übrigens unbekannt, sie wusste also nicht, dass sie sich über Leopard unterhielten, sie wusste nur, dass sie über etwas redeten.
So langsam füllten sich die Äste und großen Blätter der großen Palme und schon bald war schon jeder einzelne schüler und jede Schülerin, selbst die kleine Zwergameisenbär, eingetroffen.
Hier ist noch einmal eine Liste von allen Schülern und ein paar Beschreibungen von ihnen:
Tukan war der beste Freund von Affe und Nilpferd. Er bildete zusammen mit Affe, Nilpferd und Ozelot eine Gruppe von Tierkindern, die wissen wollten, ob Leopard auch in Rostkatze verknallt war. Er lernte ganz gut und machte nicht so gern Quatsch.
Affe machte ganz gerne Quatsch, war aber kein Fan von Leopard. Seine besten Freunde waren Tukan und Nilpferd. Gut lernen tat er nicht gerade.
Nilpferd lernte auch nicht sehr gut, war aber etwas besser als Affe. Viel Quatsch machte er nicht. Er war mit Tukan, Affe und Ozelot befreundet.
Ozelot hasste es, zu lernen. Es gab zwei Sachen, die er hasste. Die eine Sache, die er hasste, war, wie gesagt, das Lernen. Die andere Sache war Leopard. Er hatte schon viele OJEs.
Leopard hatte sehr viele Fans und war der Erzfeind von Ozelot. Seine größten Fans waren Tapir, Krokodil, Chamäleon, Jaguar und Kasuar. Rostkatze war in ihn verknallt. Wenn er jemandem etwas übel nahm, schwor er sofort Rache. Es gab drei Kategorien bei den Weibchen: Die meisten Raubtiere fanden ihn cool und waren Fans von ihm. Die meisten Pflanzen fressenden fürchteten sich vor ihm. Ein paar fanden ihn nervig und uncool und ignorierten ihn.
Tapir war der allertreueste und größte Fan von Leopard und war völlig abhängig von ihm. Als Leopard noch nicht da war, war er Ozelots Fan gewesen.
Chamäleon war ziemlich zwielichtig und konnte sich extrem gut tarnen, wie alle Chamäleons. Manchmal schien er sich plötzlich einfach aufzulösen. Er war ein Fan von Leopard.
Jaguar war schon mehrere Male sitzengeblieben und deshalb ein paar Jahre älter als seine Klassenkameraden. Er war ein Fan von Leopard und unterstützte manchmal beim Unterricht Herr Kaiman, weil er schon ziemlich viel Erfahrung hatte.
Kasuar war der beste Freund von Jaguar und ein Fan von Leopard. Dabei lernte er gar nicht mal so schlecht, vielleicht sogar besser als Jaguar.
Krokodil war gar nicht mal so gefährlich, wie die meisten Weibchen ihn einschätzten. Dafür war er zu abhängig von Leopard.
Okapi lernte ziemlich gut und war Faultiers beste Freundin. Ihre Mutter zog jeden Morgen das Landfloß, das für viele Tierkinder sehr wichtig war.
Faultier lernte, obwohl das jetzt unwahrscheinlich klingt, sogar sehr gut. Sie war aber nicht sehr gesprächig. Okapi wusste über sie, dass sie sehr früh schlafen ging.
Ameisenbär war ebenfalls mit Faultier befreundet (wie Okapi) und hatte sich schon oft mit Okapi und Faultier verabredet. Er lernte mittelgut und seine Lieblingsspeise waren Ameisen.
Papagei (eigentlich Roter Ara) war der allerbeste Freund von Paradiesvogel und lernte wie Ameisenbär mittelgut. Na ja, eigentlich vielleicht etwas schlechter als mittelgut. Er machte nämlich ziemlich viel Quatsch. Von OJEs hatte er aber noch keine Sammlung. Bisher besaß er nur eins, auf das er nicht stolz war.
Paradiesvogel lernte viel besser als sein bester Freund Papagei. Er machte nämlich nicht gern Schabernack. Den Quatsch von Papagei fand er aber lustig.
Hyazinthara war, nun ja, etwas eitel. Von ihren Eltern wurde sie ziemlich verwöhnt. Sie war Zwergameisenbärs beste Freundin, nutzte das kleine Tierchen aber ziemlich für ihre eigenen Zwecke aus. Außerdem war nicht sehr nett von ihr, dass sie über Zwergameisenbär bestimmte und stets ihre Herrin war. Zwergameisenbär konnte sich dagegen nicht wehren. Hyazinthara machte gern Weibchenquatsch, (wohlgemerkt, nicht Männchenquatsch, den fand sie lästig) und lernte nicht gerade gut.
Zwergameisenbär konnte jeden Morgen ihre schreckliche Angst vor der Schule kaum überwinden und musste jedes Mal mühsam von ihrer Mutter überredet werden. Und so erschien sie jeden Tag pünktlich zur Schule und lernte gut, obwohl manche Sachen für sie eigentlich viel zu schwer waren. Sie machte nie Schabernack.
Rostkatze war in Leopard verknallt. Inzwischen wusste jeder von ihrem Liebesbrief, der ihr nicht peinlich war. Sie hatte keine richtigen Freunde, aber das war ihr recht. Sie schien dadurch nicht irgendwie unglücklich zu sein. Auf jeden Fall war sie sehr eigen. Quatsch machte sie nicht viel, gut lernen tat sie aber auch nicht.
Nebelparder war ebenfalls sehr eigen. Er war kein richtiger Fan von Leopard, hatte aber auch nicht richtig etwas gegen ihn. Er lernte mittelgut und machte seinen eigenen komischen Schabernack.
Anakonda war der Schrecken der Schule. Still und heimlich, wie sie sich immer verhielt, kroch sie auf den Ästen herum, spähte umher, schmiedete böse Rachepläne und verbreitete ein Unwohlgefühl. Sie hatte keine Freunde, weil alle sie fürchteten. Sie hasste alle Lehrer und alle Schüler. Nichts war vor ihr sicher, doch ihre Pläne waren von ihr bisher noch nicht wirklich verwirklicht worden... Bisher.
In der Pause beschatteten Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot wieder Leopard. Sie mischten sich wieder unter Leopards Fans und fielen Leopard nicht weiter auf. Wahrscheinlich dachte er, dass sie zu richtigen Fans geworden waren.
"Super, er scheint gut gelaunt zu sein", sagte Tukan. "Dann kriegen wir vielleicht mehr raus."
Zuerst fiel den 4 Freunden nicht viel auf, aber dann wollte Leopard allein sein. Natürlich hatte niemand etwas dagegen und das Gefolge ließ Leopard allein. Aber Tukan, Nilpferd, Affe und Ozelot gaben nicht auf und folgten Leopard heimlich an diesen Ort, wo er allein sein wollte. Das erwies sich als sehr sinnvoll für die Freunde, denn Leopard bewegte sich zu einem Dickicht, in dem zwei grün-gelbe Augen blitzten. Das war Rostkatze! Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot hatten diese Augen schon so oft gesehen, dass sie sie sofort erkannten. Sie hatten Rostkatze heute auch nicht unter dem Gefolge gesehen.
Leopard und Rostkatze bemerkten die 4 Freunde nicht und bewegten sich in den Schatten von zwei großen Palmen, wo sie nicht so gut gesehen werden konnten. Trotzdem wurden sie gesehen: Von Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot.
Die genauen Wörter, die die beiden sagten, verstanden Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot nicht, aber sie konnten deutlich merken, dass Leopards Stimme, die sonst immer rau wie Stein war, nun plötzlich samtweich war.
Ozelot konnte die beiden mit seinen scharfen Augen am besten beobachten, und er wusste, dass Leopard ihm niemals zutrauen würde, dass Ozelot sogar sah, dass Leopard und Rostkatze beide lächelten. Leopard unterschätzte Ozelot, seit er auf dieser Schule war. Und Ozelot wusste das und hatte es bisher immer schlecht gefunden, aber jetzt war es nützlich für ihn. So konnte Leopard nämlich nicht ahnen, was Ozelot alles sah: Wie Rostkatze und Leopard unter den zwei Palmen voreinander standen und ein paar Wörter wechselten, Leopard mit der samtweichen Stimme, die bei ihm zuvor noch niemand gehört hatte, und Rostkatze mit ihrer normalen Stimme. Die Augen der beiden glühten und funkelten und es schien, als würden sie sogar blitzen und Funken ausstoßen... Aber keine Hass-Funken, sondern eher das Gegenteil...
Leopard schnurrte laut, dann verstummten die beiden. Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot wussten nicht genau warum, aber jedenfalls wussten sie genau, dass sie schwiegen.
Ozelot beobachtete die beiden angestrengt. Rostkatze stand vor Leopard und Leopard stand vor Rostkatze, die Augen der beiden Raubtiere glühten, Rostkatzes gelb-grün, Leopards gelb-orange. Und zwischen den beiden stellte er sich die Funken vor, die von ihren Augen ausgingen... Zwischen den beiden lief doch was! Ja, ja! ...
Plötzlich erschrak Ozelot so doll, dass er fast von der Palme herunterfiel und auf den Boden krachte, aber er konnte es gerade noch vermeiden, damit sie nicht auffielen: Auf der Palme gegenüber von ihnen funkelten Anakondas 2 gelbe Augen! Anakonda beobachtete Leopard und Rostkatze offenbar ebenfalls! Nun, sie hatten sich aber wirklich kein gutes Versteck ausgesucht. Sie wurden von allen Seiten beobachtet.
Schließlich trat Leopard aus dem Schatten, drehte sich noch einmal verräterisch zu Rostkatze um und machte sich schließlich auf den Weg zu seinen Fans. Diese begannen sofort damit, ihn mit Fragen zu durchlöchern. Kein einziger verschonte ihn.
"Wo warst du, Leopard?" "Leopard! Da bist du ja!" "Wo ist Rostkatze?" "Leopard! Wir haben dich vermisst, Leopard!" "Leopard?" "Was hast du gemacht, Leopard?" "Wo hast du gesteckt, Leopard?" "Leopard, wo hast du dich versteckt?" "Warum wolltest du weg, Leopard?" "Bist du geflüchtet?" "Vor uns?"
Und auf keine der Fragen antwortete Leopard.
Die Pause war zu Ende. Sie war ja schließlich auf ein Drittel der normalen Pausenzeit gekürzt worden.
Am nächsten Schultag in der nächsten Pause geschah es, dass Anakonda Leopard angriff, aber knapp verlor. Es war so: Leopard lief, seine Fans im Schlepptau, unter einem Ast vorbei, auf dem Anakonda lag. Sie schnellte herunter, wickelte sich blitzschnell um seinen Bauch und... Nein, sie vergiftete ihn nicht! Keine natürliche Anakonda war eine Giftschlange. Natürliche Anakondas waren Würgeschlangen, die ihre Opfer mit ihren muskolösen Korpern erwürgten. Allerdings war sie nicht schnell genug und Leopard wehrte sich. Es kam zu einem Kampf. Er war schmerzhaft, nicht aber blutig. Kein einziger Tropfen Blut floss.
Leopard brachte während dem Kampf keinen einzigen Ton heraus, außer ab und zu einem verkrampften Fauchen. Wenn er nicht all seine Kraft zusammennahm, würde bald sein letztes Stündchen geschlagen haben. Ein paar schreckliche Sekunden stiller Verzweiflung vergingen, dann war schließlich der Moment gekommen, in dem Leopards Nerven vibrierten und er seine absolute Überforderung rausließ, indem er seine ganze Kraft zusammennahm, mit seiner Tatze mit den scharfen Krallen nach Anakonda ausholte und einen ohrenbetäubend lauten Ton ausstieß, der eine Mischung aus Brüllen, Fauchen und Knurren war. Fast wäre das Blut, das diesem Kampf fehlte, doch noch geflossen, da wich Anakonda in letzter Sekunde aus und zischte: "Ich gebe auf."
Es schien, als könne Leopard jetzt unter dem Gebrüll seiner Fans siegreich abziehen, doch da erklang wieder Anakondas fürchterliche Stimme: "Du hast gewonnen, Leopard. Aber nur für dieses eine Mal! Denn jetzt werde ich gegen Rostkatze kämpfen!"
Leopard riss seine gelben Augen weit auf. Sie glühten und glühten und man konnte in ihnen förmlich erkennen, wie entsetzt Leopard war.
Anakonda lächelte bedrohlich, geheimnissvoll und finster. Ja, diesmal war sie es, die bedrohlich lächelte. Dieses eine Mal war es nicht Leopard. "Ja", sagte sie langsam. "Rostkatze." Nach einer kleinen Pause sagte sie wieder, nur diesmal langsamer und betonter: "Rrrossstttkkkatttzzze."
Als Leopard sich beruhigt hatte, wurde er wieder kühl. "Warum ausgerechnet Rostkatze? Was hat Rostkatze damit zu tun?", fragte er unschuldig.
"Das weißt du genau", zischte Anakonda und das Lächeln verschwand von ihrem kleinen, schmalen Schlangengesicht. Nun verfinsterte sie ihren Blick noch mehr und ein bedrohlicher Schatten huschte über ihr Gesicht. "Du weißt es sogar am genauesten, Leopard", zischte sie.
Leopard machte sich kampfbereit. Er spannte seine Muskeln an, fixierte seinen Blick auf Anakonda, ließ seine Augen lodern und glühen und Funken sprühen und war jederzeit bereit zum Sprung. Auch wenn er nichts sagte, jeder wusste, dass er in diesem Moment Rache auf Anakonda schwor.
"Was du machst, ist völlig unnötig", zischelte Anakonda und wirkte gelassen, so, wie Leopard früher immer war. Früher, bis zu dem Moment, wo der Kampf begonnen hatte. Und er hatte nicht aufgehört, denn innerlich ging er weiter.
"Nicht du sollst jetzt kämpfen, sondern Rostkatze", fuhr Anakonda fort. "Du kannst unserem Kampf beiwohnen, wenn du Wert darauf legst, aber es wird dir nichts nützen. Vielleicht wird es sogar gefährlich für dich sein."
Leopard loderte und loderte und glühte und glühte. "Warum willst du mich überhaupt töten?", rief er.
Auf diese Frage antwortete Anakonda nicht. "Es gibt Gründe, die du nicht kennst", war das, was er aus ihr herausbekam. So eine gefährliche und ernste Feindschaft wie diese mit Anakonda hatte Leopard noch nie gekannt. In jeder Sekunde konnte etwas passieren. Es ging um Leben und Tod. Er erlebte ein Gefühl aus Frust, Wut und Verzweiflung und anderen negativen Emotionen zugleich, wie er es noch nie erlebt hatte. Jede Sekunde war wertvoll, die ausgewachsenen Tiere wussten das. Der Überlebens-Unterricht war nicht umsonst. Für solche ernsten Situationen war er nützlich.
Bisher war Leopard immer im Vorteil gewesen, wenn er mit einem anderen Tier gekämpft hatte. Die Feindschaften (wie unter anderem die mit Ozelot) waren nur harmlose Spiele gewesen.
"Nun, was ist?", zischte Anakonda. "Siehst du dir den Kampf an oder nicht?" Sie schlängelte los.
Leopard folgte ihr mit gesenktem Kopf, angespannten Muskeln, pochendem Herzen und lodernden Augen.
Als der Kampf zwischen Rostkatze und Anakonda begonnen hatte, war in Leopards Kopf nur noch ein einziges Wort, das er vorher nicht gekannt hatte: UNGERECHT. Der Kampf war ungerecht. Anakonda war blitzschnell, hinterlistig und unberechenbar und Rostkatze war klein, gewissenhaft und... na ja, eben im Nachteil. Sie war zwar flink und wendig, aber da sie es mit Anakonda, einer muskolösen, hinterhältigen Würgeschlange zu tun hatte, nützte ihr das nicht viel.
Zum ersten Mal in seinem Leben wurde Leopard klar, was Gerechtigkeit und was Ungerchtigkeit war. Und er musste für die Gerechtigkeit kämpfen, damit Rostkatze nicht durch Anakonda starb, aber viel konnte er nicht unternehmen, außer zu lodern und zu glühen und Funken zu sprühen.
Die Pause wäre längst vorbei gewesen, aber kein Tierkind beachtete das. Alle, selbst die kleine Zwergameisenbär, die nur weinte, standen um Rostkatze und Anakonda herum und beobachteten angespannt den Kampf. Auch einige Lehrer (Frau Wasserschwein, Herr Kaiman und Frau Aguti) riefen nicht mehr vergeblich nach den Kindern, sondern beobachteten den Atem anhaltend den Kampf.
Kapitel 3: Der Liebesbrief
Nach der nächsten Briefe-Stunde mit Frau Wasserschwein lag ein sehr besonderer Brief in Leopards Briefkasten. Die Wörter, die übrigens nicht sehr viele waren, die auf dem kleinen Zettel standen, waren in einer schönen, ordentlichen Handschrift geschrieben. Es war ein Brief von Rostkatze. Sie gehörte schon lange zu der Gruppe der Fans von Leopard.
Rostkatze + Leopard
Deine Rostkatze 💝
Wie ihr sicher schon erraten habt, war es natürlich ein Liebesbrief, den Leopard von Rostkatze bekommen hatte.
Nach ein paar Tagen hatte sich Rostkatzes Liebesbrief an Leopard schon in der ganzen Schule herumgesprochen und selbst Zwergameisenbär oder Chamäleon oder Kasuar oder Nebelparder wusste von ihm. Selbst die Lehrer.
Alle waren gespannt, wie oder ob überhaupt Leopard auf den Brief reagieren würde. Vor allem Tukan, Affe und Nilpferd wollten in dem Fall nachforschen. So taten sich die 3 Freunde zusammen und nahmen sich vor, Leopard in der Pause zu beobachten und sich unter sein Gefolge zu mischen. So lange die Pause noch nicht begonnen hatte, sammelten sie Ideen, was Leopards Reaktion sein könnte. Sie verpassten sowieso keinen wichtigen Unterricht, da es nur eine Rechtschreibung-Grammatik-Zeichensetzung-Wiederholung mit Frau Harpye gab.
"Also, was meint ihr zu dem Fall?", fragte Tukan leise seine 2 Freunde und sah in die Runde.
"Ich denke, dass Leopard heimliche Beziehungen mit Rostkatze hat und sie schon lange heimlich ein Paar sind und sich regelmäßig Liebesbriefe schreiben, aber nie zugeben, dass sie Affären haben", vermutete Affe eine kleine Spur zu laut, denn Frau Harpye bemerkte, dass er nicht aufmerksam ihr und ihren Wiederholungs-Faseleien zuhörte, und warf ihm eine strengen Blick zu.
Tukan zuckte zusammen und gab seinen Freunden im Flüsterton zu verstehen, dass sie eine Weile dem Gefasel lauschen und erst dann wieder mit der Besprechung fortfahren sollten. Also hörten sie Frau Harpye zu.
Als endlich Pause war (zwar eine auf ein Drittel der normalen Pausenzeit reduzierte Pause, aber das war den 3 Freunden jetzt mal egal), mischten sich Tukan, Affe und Nilpferd unauffällig unter Leopards Anhänger. Zu den treuesten Anhängern gehörten:
Tapir, Jaguar, Kasuar, Chamäleon, Krokodil, Okapi, Nebelparder, Goldkatze und natürlich Rostkatze, der es offensichtlich nicht peinlich war, dass jetzt inzwischen schon jeder wusste, dass sie an Leopard einen Liebesbrief geschrieben hatte. Auch nur, weil es ihr nicht peinlich war, fragte Affe sie: "Rostkatze, warum hast du eigentlich einen Liebesbrief geschrieben?" Er wollte nämlich herausfinden, ob zwischen Rostkatze und Leopard nicht vielleicht schon seit etwas längerem etwas lief.
Doch Rostkatze gab eine nicht sehr hilfreiche Antwort: "Ist doch klar, weil ich in Leopard verknallt bin! Warum sonst?"
Affe wollte unbedingt mehr wissen. "Ist er denn auch in dich?", fragte er. Und dann platzte es aus ihm heraus: "Hat er dir denn auch schon Liebesbriefe geschrieben?"
Rostkatze sah Affe aus ihren kleinen grün-gelben Augen verrwirrt an. "Ich weiß nicht!", sagte sie. "Aber wieso sollte Leopard auch sagen, dass er in mich verknallt ist oder mir Liebesbriefe schreiben? Er ist doch der coolste der Schule."
Affe verkrümelte sich wieder bei Tukan und Nilpferd, die offenbar auch noch nichts herausgefunden hatten. "Hatte keinen Erfolg", wisperte er ihnen enttäuscht zu.
"Wir auch nicht", flüsterte Tukan.
"Heute wird's wohl nix", sagte Nilpferd leise.
Die Lehrer, die Pausenaufsicht hatten, schrien "Pausenschluss!" und alle gingen zur großen Palme.
Nun war Überlebens-Unterricht.
Die Pflanzen fressenden Tiere wurden von Frau Aguti unterrichtet, was sie auf keinen Fall fressen dürfen, woran sie Raubtiere von Artsgenossen (also Pflanzen fressenden Tieren) unterscheiden konnten (manche kleinen Tierkinder konnten diese beiden Sachen nämlich noch nicht so gut auseinanderhalten), wie sie Raubtiere abhängen konnten, wenn sie auf der Flucht waren, und wie sie am schnellsten sein konnten.
Die Allesfresser und Vögel wurden von Frau Wasserschwein darüber unterrichtet, welche Säugetiere und Früchte für sie gutes Futter waren und welche nicht gut oder giftig waren, und wie sie sich tarnen konnten.
Die Fleisch fressenden Tiere wurden von Herr Kaiman und von Jaguar, der nämlich sitzengeblieben war und schon viel Erfahrung hatte, weil er schon etwas älter als die anderen war, darüber unterrichtet, welche Tiere sie jagen sollten, welche Beutetiere viel Fleisch hatten und gut schmeckten, wie sie so lange wie möglich so schnell wie möglich rennen konnten, wenn sie Beutetiere verfolgten, bis diese außer Atem waren, und wie sie sich leise und lautlos an das Beuteopfer heranpirschen konnten und es dann anfallen konnten.
Dann war Mittagessen. Die Raubtiere waren alle gezwungen, ihr eigenes erlegtes Fleisch mitzubringen und keine Klassenkameraden zu fressen. Frau Harpye hatte es ihnen so streng klargemacht, dass sie alle gehorchten. Auch für die Allesfresser galt diese Regel.
Das Mittagessen wurde auf dem Schulhof (also auf dem Bereich um die große Palme herum) gegessen. Tukan, Affe und Leopard mischten sich wieder unter Leopards Fans und hofften, etwas interessantes aufzuschnappen. Also schwiegen sie und belauschten die anderen. Leider kam nichts besonderes heraus. Tukan, Affe und Nilpferd gaben aber nicht auf.
"Leute", wisperte Tukan, "wenn alle nach Hause gehen, beobachten wir Leopard und gucken, ob er was mit Rostkatze macht. Okay?"
"In Ordnung", flüsterte Affe.
"Geht klar", kicherte Nilpferd.
Ozelot kam verspätet zum Essen und ließ sich neben den 3 Freunden nieder. Er sah ziemlich niedergeschlagen aus und kaute an einem großen Stück Fleisch herum.
"Ist was?", fragte Tukan.
"Ich hab wieder ein OJE bekommen", murmelte Ozelot. "Ich muss sicher auch noch heute und die ganze Woche bei euch übernachten. Meine Eltern würden ausrasten und komplett durchdrehen, wenn sie erfahren, dass ich noch ein OJE bekommen hab, undzwar diesmal auch noch nur, weil ich in letzter Zeit superschlecht gelernt hab."
Tukan sah erschrocken zu Affe und Nilpferd. Ozelot musste wieder bei ihnen übernachten! So konnten sie nicht ungestört über Leopards Verhalten diskutieren!
"Na, was ist denn?", fragte Ozelot, ohne von seinem Stück Fleisch hochzusehen.
"Weihen wir ihn ein?", wisperte Tukan.
Affe und Nilpferd nickten stumm.
"Also", sagte Tukan leise an Ozelot gewandt. "Wir wollen herausfinden, ob Leopard auch in Rostkatze verknallt ist. Deshalb belauschen wir ihn und horchen Rostkatze aus. Wir beobachten die beiden auch. Noch haben wir leider aber nichts herausgefunden. Willst du bei uns mitmachen?"
Ozelots gelbe Augen leuchteten auf. "Ja! Ich belausche Leopard sowieso sehr gerne!"
"Gut", sagte Tukan und schmunzelte Affe und Nilpferd zu. "Unser nächstes Ziel ist, Leopard zu beobachten, wenn alle nach Hause gehen, und zu gucken, ob er was mit Rostkatze macht. Kommst du dann mit?"
"Klar", sagte Ozelot und widmete sich wieder seinem Stück Fleisch.
Als Schulschluss war, warteten Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot, bis die meisten gegangen waren, und beobachteten dann Leopard. Tatsächlich, er war noch nicht gegangen. Wartete er auf jemanden? Auf... Rostkatze? Oder wartete er doch nicht auf jemanden? Oder erwartete Leopard jemanden? Er schien es jedenfalls nicht eilig zu haben, im Gegenteil! Er legte sich ins hohe Gras und verabschiedete sich von den letzten Fans und Anhängern, die jetzt gingen. Wären sie Menschen und Leopard ein König der sozialen Medien, würden die Anhänger Follower heißen.
Als der letzte Anhänger oder Fan gegangen war, schnurrte Leopard leise und blickte in eine Richtung. Man sah ihm an, dass er seine Beobachter nicht bemerkt hatte.
Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot folgten seinem Blick und versuchten, etwas zu entdecken. Plötzlich entdeckte Ozelot mit seinen guten Augen und seinem scharfen Blick zwei kleine, grün-gelbe Augen in der Ferne, die Leopard anfunkelten. Vielleicht waren es Rostkatzes Augen! Mit einem kleinen Stupser machte er seine 3 Freunde auf das Gesehene aufmerksam. Nun bemerkten Tukan, Affe und Nilpferd die kleinen grün-gelben Augen ebenfalls und gaben ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass sie sie jetzt auch gesehen hatten.
Die kleinen Augen wurden immer kleiner, Rostkatze schien sich also immer weiter weg zu bewegen. Vermutlich musste sie nun nach Hause gehen. Als ihre Augen nur noch kaum zu sehen waren, wandte Leopard sich ab und versank in seinen Gedanken. Er trieb immer weiter weg von der realen Welt und Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot fanden es nicht mehr sinnvoll, ihn zu beobachten. Die 4 Tierkinder machten sich auf den Weg zu Tukans Baum und besprachen dort ihre Vermutungen.
"Ich vermute immer noch stark, dass Leopard auch in Rostkatze verknallt ist, obwohl er es nie zugibt und ihr noch nie Liebesbriefe geschrieben hat", erklärte Affe.
"Woher weißt du, dass er Rostkatze keine Liebesbriefe schriebt?", fragte Tukan.
"Hat Rostkatze gesagt, als ich sie ausgehocht hab", antwortete Affe.
"Vielleicht hat sie aber auch gelogen", vermutete Nilpferd.
"Stimmt", sagte Affe. "Daran hab ich noch gar nicht gedacht. Ou. Mist. Dann wissen wir ja gar nichts."
"Schien sie denn so, als würde sie lügen?", fragte Tukan. "Mir kommt sie eher nicht wie eine Lügnerin vor."
"Also ich finde, sie klang ganz ehrlich", sagte Affe.
"Ich kann mir auch nicht gut vorstellen, dass sie gut lügen kann", sagte Ozelot.
"Okay, also sie hat doch nicht gelogen. Dann wissen wir also, dass Leopard Rostkatze noch nie gesagt hat, dass er in sie verknallt ist und ihr nie einen Liebesbrief geschrieben hat. Außerdem wissen wir, dass er ihre Augen beobachtet hat", fasste Tukan die Lage zusammen.
"Stimmt", sagte Ozelot. "Das hat er ja auch noch gemacht. Wir wissen aber nicht so genau, ob das wirklich Rostkatzes Augen waren, zu denen Leopard die ganze Zeit geguckt hat, oder vielleicht doch die von wem anders."
"Doch, doch, das waren Rostkatzes Augen, da bin ich mir ganz sicher!", sagte Affe. "Als ich sie ausgehorcht hab, hab ich ihre Augen beobachtet, das waren auf jeden Fall die selben." Er katapultierte eine orangene Frucht in seinen Mund.
"Gut", sagte Tukan. "Also waren bisher alle Beweise, die wir gesammelt haben, richtig. Wir können uns trotzdem aber noch kein richtiges Bild aus unseren Informationen machen. Wir sind uns nur sicher, dass Rostkatze in Leopard verknallt ist. Weitere Sachen wissen wir noch nicht so richtig, vor allem über Leopard und seine Meinung über Rostkatze. Es war nämlich schon ziemlich verräterisch, dass er ganz lange zu ihren Augen geguckt hat, aber er hat ihr ja noch nie einen Liebesbrief geschrieben oder so etwas ähnliches in der Art. Hm, ganz schon verzwickt, das Ganze! Wir müssen auf jeden Fall weiterforschen in der Sache!"
"Ja, wirklich", sagte Nilpferd. "Und ich finde auch: Hm, alles ganz schön verzwickt!"
Alle lachten.
Nilpferd war nicht sehr schlau, jedenfalls auf jeden Fall nicht schlauer als Tukan, aber er war ganz lustig und zitierte gerne andere, wenn er ihnen zustimmte und ihre Meinung für richtig hielt.
Kapitel 2: Ozelot hat Todesangst
Viele Tierkinder waren enttäuscht, dass ihnen ganz viel von ihrer spaßigen Pausenzeit weggenommen wurde. Sie waren wütend auf Frau Harpye und Frau Nasenbär. Frau Wasserschwein konnte ja nichts dafür. Und Herr Gürteltier, Herr Kaiman und Frau Aguti waren ja gar nicht mal beteiligt an der Sache.
Tukan spielte mit Affe auf einer Palme und Affe musste es aushalten, nicht herunterzuspringen, weil unten ein verlockender kleiner Tümpel war, in den Affe am liebsten hereingesprungen wäre und ausgiebig gebadet hätte. Nilpferd schaute Tukan und Affe vom Tümpel aus zu und gab Affe Ratschläge.
Tapir, Krokodil, Jaguar, Kasuar und Chamäleon liefen hinter Leopard her und schrien ihm zu, was er alles mit Frau Harpye und Frau Nasenbär machen konnte. Leopard selbst schien ein bestimmtes Ziel zu haben. Auf seinen weichen Tatzen schlich er vor Tapir, Krokodil, Jaguar, Kasuar und Chamäleon voran und schien nach etwas zu suchen. Schließlich fand er das, was er suchte: Ozelot.
Ozelot schnurrte, als er Leopards bedrohliches Lächeln sah. Er konnte nicht richtig knurren, das konnte kein natürlicher Ozelot. Deshalb schnurrte er. Man erkannte aber, dass er es nicht friedlich meinte. Er schnurrte wütend.
Leopard stand eine Weile vor ihm, dann sprang er auf ihn zu und riss sein Maul weit auf. Ihm entfuhr ein lautes Fauchen.
Ozelot wich geschickt aus. Jede von seinen Bewegungen war geschmeidig und perfekt.
Leopard jagte Ozelot einen Baum hoch. Er tat so, als würde er nicht hochkönnen, doch wie ihr wahrscheinlich schon wisst, sind Leoparden eigentlich ausgezeichnete Kletterer. Als Ozelot ganz oben war und dachte, er hätte Leopard abgehängt, sprang dieser mit einem Satz auf einen Ast und kletterte von da aus zu Ozelot.
Ozelot schwitzte. Er saß in der Falle. Wenn er von hier aus, vom allerhöchsten Punkt, herunterspringen würde, wäre er tot. Atemzug um Atemzug verging für ihn in riesiger Todesangst. "Wirst du mich töten?", keuchte er schließlich. Er sah Leopard aus großen Augen an und man sah in ihnen förmlich die Angst flackern.
Inzwischen hatten sich schon alle Tierkinder um den Baum versammelt und sahen gebannt zu. Alle warteten in ängstlicher Stille.
Schließlich lächelte Leopard sein bedrohliches Lächeln und sagte mit rauer Stimme: "Nein." Er machte eine Pause und ließ das Wort seine Wirkung tun, dann fuhr er fort: "Das ist verboten. Man darf nicht auf dem Schulhof töten. Erst, wenn man ein ausgewachsenes Tier ist. Dann schon. Man darf nur üben." Und er sprang vom Baum und lief gefolgt von Tapir, Krokodil, Jaguar, Kasuar und Chamäleon in einen anderen Teil des Schulhofs.
Ozelot kletterte erleichtert auf einen Ast weiter unten und machte es sich gemütlich. Keiner beachtete ihn weiter, aber diesmal war es ihm recht. Er wollte allein sein und schlafen.
Frau Aguti und Frau Wasserschwein hatten Pausenaufsicht. Nun war die Pause zu Ende; schließlich war sie auf ein Drittel der normalen Pausenzeit reduziert worden. Frau Wasserschwein rief: "Pausenschluss!"
Die Tierkinder trotteten zur großen Palme und ließen sich nieder.
Jetzt kamen Frau Harpye, Herr Gürteltier und Frau Nasenbär für den weiteren Unterricht. Frau Aguti hatte die drei darüber in Kenntnis gesetzt, was zwischen Ozelot und Leopard vorgefallen war, und Leopard bekam von Frau Harpye ein OJE. Es war ein Zettel, auf dem ein großes, großes OJE stand und darunter noch, was Leopard gemacht hatte. So etwa sah es aus:
Wenn du über 10 OJES hast, fliegst du von der Schule!
Nachdem Frau Harpye Leopard das OJE gegeben hatte, befahl sie den Tierkindern, schreiben zu lernen, damit sie auch OJEs schreiben konnten, wenn sie etwas schlimmes beobachteten, und damit die Lehrer und Lehrerinnen sich nicht immer die Mühe machen mussten, angestrengt OJEs zu schreiben.
2 Wochen lang (also 14 Tage lang) gaben sich Frau Wasserschwein, Frau Aguti, Herr Kaiman, Frau Nasenbär, Herr Gürteltier und Frau Harpye alle Mühe, den sturen Tierkindern das Lesen und Schreiben beizubringen. Am Ende wurden Frau Harpye, Frau Nasenbär, Herr Gürteltier und Herr Kaiman sogar gewalttätig. Schließlich schafften die Tierkinder es mit Ach und Krach, das Alphabet zu erlernen. Frau Wasserschwein schlug ihnen vor, regelmäßig Briefe zu schreiben, um die Kenntnisse in Rechtschreibung und Grammatik nicht zu verlernen.
Die Tipps von Frau Wasserschwein waren immer willkommen und wurden sofort genutzt. Die Tierkinder schrieben sich tatsächlich Briefe. Jeder bekam einen persönlichen Briefkasten, persönliches Papier und einen persönlichen stumpfen Bleistift, was schon ein großer Luxus war.
Am nächsten Tag war in Tukans Briefkasten ein Brief angekommen. Er war von Affe und sah so aus:
Hallo Tukan! Wollen wir uns morgen treffen? Ich weiß schon, welchen Treffpunkt wir nehmen können. Wir können uns beim Tümpel treffen. Ich habe auch schon Nilpferd gefragt. Er will auch mitmachen. Ist das ok? Was wollen wir spielen?
Dein Affe🙈
Tukan freute sich riesig, Post zu kriegen. In der Schule wartete er, bis Briefe-Stunde mit Frau Wasserschwein war, dann schrieb er an Affe:
Hallo Affe!
Wir können uns sehr gerne verabreden! Auch mit Nilpferd! Ich freue mich schon darauf!
Dein Tukan🐦
In Leopards Briefkasten lagen jede Menge Briefe. Einige davon sahen so aus:
Hallo Leopard
Die Sache mit Ozelot war echt krass. Ich finde, du sollst OJEs sammeln und dann welche wegschmeißen damit du nicht von der Schule fliegst.
TAPIR🖔
Leopard hatte ihm geantwortet:
Hallo Tapir
Ich sammele schon OJEs. Frau Harpye will das auch, damit ich immer weiß, wann ich über 10 Ojes hab & von der Schule fliege.
Leopard🐆😼
Ein anderer Brief, den Leopard bekommen hatte, sah so aus:
Spiel den Lehrerinnen noch mehr Streiche! Dann hast du nämlich über 10 OJEs und fliegst von der Schule! Haha! Hihi! Dann verdränge ich dich wieder!
Ozelot😾
Leopard ging natürlich nicht darauf ein.
Plötzlich hörten Tukan und Affe ein schnelles Trippeln . Es war Ozelot, der zu ihnen auf den Baum kletterte. "Tukan! Affe!", japste er und sah sich um, um zu gucken, ob jemand hinter ihm her war. "Leopard hat meinen Brief gelesen und Rache geschworen! Dann hat er mich bis zum Baum von meinen Eltern gejagt! Ich hab ihnen alles erzählt und dann haben sie mich vom Baum gejagt! Sie finden es nämlich schrecklich, dass ich nicht gut lerne und immer so streng gegen Leopard bin! Ich versteh das einfach nicht, meine Eltern, die mögen Leopard irgendwie. Keine Ahnung, was in die gefahren ist! Die haben einmal seine Rosetten gesehen und jetzt sind sie verrückt nach ihm! Wie eitel muss man sein, dass man mein Fell nicht mehr gut genug findet..." Er schnappte nach Luft und wollte weitererzählen, da sagte Tukan langsam: "Stoppstoppstoppstoppstopp. Du kannst eine Nacht hier übernachten und dann gucken, ob deine Eltern immer noch so fuchsteufelswild sind."
"Natürlich werden sie's sein!", schrie Ozelot. "Sie sind jetzt schon seit gestern so durchgedreht! Ich bin wie von der Tarantel gestochen gerannt, bis sie nicht mehr in Sicht waren! Ich weiß gar nicht, wann die wieder normal werden!"
"Natürlich dann, wenn du wieder besser lernst und nicht mehr so stark gegen Leopard bist. Dann beruhigen sie sich sicher", meinte Tukan ruhig.
"Ich will aber nicht besser lernen!", schrie Ozelot. "Und ich werde immer gegen Leopard sein, selbst nach seinem Tod! Und zwar genauso stur wie jetzt!"
Tukan seufzte. "Affe, was machen wir?"
"Wir lassen Ozelot hier übernachten! Ist doch klar!", sagte Affe, während er sich von einem dicken Ast zu einem dünnen schwang.
Ozelot hörte gar nicht zu. "Ehrlich, ich hab vor meinen Eltern jetzt noch mehr Angst als damals vor Leopard! Ich muss hier eine Woche schlafen, bis die sich wieder beruhigen!"
"Na gut", sagte Tukan.
Und so schlief Ozelot in dieser Woche jede Nacht bei Tukan. Weil Tukan nicht allein mit seinen Eltern und Ozelot schlafen wollte, war Affe dabei.
Manchmal, wenn Tukan nachts aufwachte, sah er plötzlich zwei schmale, gelbe Augen mitten in der Schwärze der Nacht leuchten. Es waren Ozelots Augen. Denn Ozelot war eigentlich nachtaktiv und erkundete den tukan'schen Baum. Durch die Schulpflicht hatte er es sich aber angewöhnt, auch tagsüber aktiv zu sein. Er erkundete aber nicht nur den Baum, er war auch wach, weil er stets auf der Hut sein musste, weil seine Eltern oder Leopard jederzeit auftauchen konnten. Natürlich schlief er auch, aber er schlief eben nicht viel. Bei jedem kleinsten Geräusch wachte er auf und sah sich ein wenig ängstlich um. Und immer waren es weder seine Eltern noch Leopard, sondern nur knackende Äste, das Schnarchen von Affe oder irgendwelche anderen unwichtigen Sachen. Trotzdem schlief Ozelot ständig in großer Angst und hatte einen sehr leichten Schlaf.
Kapitel 1: Frau Wasserschwein hat Ärger bekommen
Die Sonne ging auf. Ihre Strahlen erreichten sogar Tukans Ast.
Tukan
wachte auf. Er blinzelte einmal und gähnte. Dann breitete er seine
Flügel aus und flog los zur Dschungelschule. Er war mal wieder einer der
frühsten. Andere waren dafür bekannt, immer zu spät zu kommen, zum
Beispiel Affe oder Leopard.
Tukan
ging auf eine Tierschule. Tierschulen waren ganz anders als Schulen,
auf die Menschen gingen. Die Tierkinder hatten keine Fächer wie Sprache
oder Mathematik, sondern ganz andere Fächer. Sie schrieben auch nicht
mit Stiften, nicht mal mit Bleistiften. Füller gab es schon gar nicht.
Nicht einmal Kreide, mit der man an eine Tafel malen konnte. Es gab gar
keine Tafeln. Tische und Bänke gab es auch nicht. Die Tierkinder lernten
gar nicht, wie man schrieb. Sie lernten ganz andere Sachen. Sie
lernten, wie man gut im Dschungel lebt und überlebt und ein möglichst
langes Leben hat. Es gab spezielle Fachunterrichte für Raubtiere und für
Pflanzen fressende Tiere. Die Raubtiere lernten, wie sie sich perfekt
und leise an ihre Opfer heranpirschen konnten und wie sie sie anfallen
konnten, und die Pflanzen fressenden Tiere lernten, wie sie Raubtiere
auf der Flucht am besten abhängen konnten und welche Pflanzen für sie am
besten waren.
Tukan war weder ein richtiger Fleischfresser noch ein
richtiger Pflanzenfresser. Er fraß meistens Früchte, Insekten und kleine
Säugetiere. Für ihn und Tiere, die sich so ernährten wie er, gab es
auch einen speziellen Fachunterricht.
Tukan, die Lehrerin Frau Wasserschwein, Nilpferd, Anakonda und Tapir waren schon da.
Frau
Wasserschwein war ganz nett. Sie erlaubte zum Besispiel, dass man sich
für andere nicht so beliebte Lehrer (zum Beispiel unter anderem die
strenge Frau Harpye) lustige Spitznamen ausdachte. Frau Harpye oder Herr
Gürteltier zum Beispiel hätten das nie erlaubt. Deshalb mochten die
meisten Tierkinder Frau Wasserschwein ganz gerne. Genauer gesagt, sogar
fast alle. Nur bei Anakonda konnte man nie wissen, ob sie überhaupt
einen einzigen Lehrer mochte. Anakonda hasste es, zu lernen. Meistens
hing sie nur über allen anderen an einem Ast und schmiedete irgendwelche
Pläne, wie sie den Lehrern ihren Spaß nehmen konnte. Sie war auch immer
eine von den frühsten, gemeinsam mit Tukan, Nilpferd und Tapir.
Inzwischen
war Ozelot angekommen. Ozelot lernte nicht sehr gut. Meistens
verkrümelte er sich irgendwo und machte seine eigenen komischen Sachen,
anstatt dem Lehrer zuzuhören. Deshalb waren seine Noten auch nicht
gerade gut. Letztes Jahr hatte er eine 4+ gehabt. Früher war er etwas
besser gewesen mit einer 3-. Dafür war er aber ziemlich beliebt,
jedenfalls bei den Jungs. Viele Jungs fanden ihn nämlich cool, weil er
nie lernte und trotz den vielen OJEs und Verwarnungen der Lehrer immer
weiter sein eigenes Ding machte. Seit neuestem hatte er jedoch
Konkurrenz, denn nun war Leopard, ein Quereinsteiger, auch sehr beliebt.
Er machte nämlich noch mehr Quatsch als Ozelot und war noch
unverschämter den Lehrern gegenüber. Zum Beispiel die strenge Frau
Harpye hatte er schon oft herausgefordert und so doll auf die Palme
gebracht, dass sie am Ende schon mit zwei Kokosnüssen ganz oben saß. Er
hatte noch viel mehr OJEs als Ozelot und war schon mehrere male fast von
der Schule geflogen. Er war auch nur auf diese Schule gekommen, weil er
aus der anderen herausgeschmissen worden war. Aber Leopard war nicht
nur bei den Männchen beliebt. Nein. Es gab viele Weibchen, die ihn auch
cool fanden. Nicht nur aus den Gründen, aus denen die Männchen ihn cool
fanden, zum Beispiel auch wegen seinem schönen Fell mit den großen
schwarzen Rosetten. Oder weil seine Augen so groß und gelb und leuchtend
waren, oder weil er fast immer lächelte. Es war aber kein nettes
Lächeln, was er lächelte. Es war ein bedrohliches, furchteinflößendes
Lächeln, das selbst manche Lehrer einschüchterte. Die Weibchen, die
Leopard nicht cool fanden, fürchteten sich vor ihm. Zu diesen Weibchen
gehörten viele Pflanzen fressende Weibchen. Manche Weibchen fanden ihn
aber weder cool noch beängstigend. Es waren die, die ihn lästig und
nervig und uncool und unausstehlich fanden und ihn ignorierten. Davon
gab es auch ein paar.
Tukan war ein Männchen, das nicht viel von
Quatsch und Widerstand gegen die Lehrer hielt. Er mochte Leopard nicht
sehr gerne. Genau gesagt, er mochte ihn gar nicht. Aber er unternahm
nichts gegen ihn, damit er nicht ausgeschlossen wurde. Außerdem wollte
er sich in solche Sachen sowieso nicht hereinsteigern. Wenn er einmal
etwas gegen Leopard sagte, würde der sicher davon erfahren und dann
Rache schwören. Ja, genau, er schwor nämlich immer Rache. Und man konnte
nie wissen, wann er sich an einem rächte.
Inzwischen
waren Tukan, Frau Wasserschwein, Nilpferd, Anakonda, Tapir und Ozelot
nicht mehr allein. Unter anderem Hyazinthara, Faultier, Ameisenbär,
Krokodil, Okapi, Chamäleon, Papagei, Paradiesvogel, Jaguar und Kasuar
waren auch gekommen. Sie kamen immer alle zusammen. Sie wohnten nämlich
alle in der Nähe und nahmen immer zusammen das Landfloß. Das Landfloß
war ein Floß, das irgendwann einmal durch irgendeinen Zufall im
Dschungel gelandet war und jeden Tag von Okapis Mutter zur Schule, also
der großen Palme und all dem, was um sie herum wuchs, gezogen wurde.
Hyazinthara, Faultier, Ameisenbär, Krokodil, Okapi, Chamäleon, Papagei
(Ara), Paradiesvogel, Jaguar und Kasuar konnten sich dann auf das Floß
stellen und wurden von Mutter Okapi im Galopp zur Schule gezogen.
Nun fehlten nur noch Affe, Leopard und Zwergameisenbär.
Affe
war Tukans bester Freund. Er kam immer zu spät, weil er immer
verschlief und dann noch irgendeinen Schabernack machte. Er war aber
lustig und Tukan mochte ihn gerne. Und Frau Wasserschwein war so nett
und wartete, bis alle anwesend waren, um erst dann mit dem Unterricht
anzufangen. Meistens dauerte es so lange, bis wirklich jeder einzelne
Schüler angekommen war, dass inzwischen schon Pause war und nur noch für
den Teil nach der Pause Schule war. Aber bei Frau Wasserschwein ging
das.
Zwergameisenbär kam immer zu spät, weil sie Angst vor der
Schule, vor den Lehrern und vor Leopard, Ozelot und anderen Jungs hatte
und sich jeden Tag aufs neue von ihrer Mutter überreden lassen musste,
die Schulpflicht einzuhalten, sich nicht feige krankzumelden und
schließlich doch wohl oder übel zur Schule zu gehen.
Leopard kam
immer zu spät, weil er damit die Lehrer ärgern wollte und möglichst in
den Unterricht hereinplatzen wollte, um zu stören und noch mehr bemerkt
zu werden. Er liebte es nämlich, Aufsehen zu erregen.
Nun
war Zwergameisenbär angekommen. Sie kletterte langsam an der großen
Palme, die die Schule war, hoch, und setzte sich dann zu Hyazinthara,
die das Tierkind war, was sie noch am meisten mochte. Leider kam es oft
vor, dass Hyazinthara ein bisschen über Zwergameisenbär bestimmte und es
ausnutzte, dass sie so klein und schüchtern war, deshalb war
Zwergameisenbär die Lust aufs Zur-Schule-Gehen am nächsten Tag natürlich
mal wieder verdorben.
Dann kam Affe. Er kletterte schnell die Palme
hoch und setzte sich zu Tukan. Sofort fing er an, seinen üblichen
Schabernack zu machen. Er begrüßte überfröhlich Frau Wasserschwein,
machte auf ihr einen Handstand, tänzelte herum, schrie "Wer hat die
Kokosnuss geklaut?" und schwang sich an den großen Blättern der Palme
umher, dass Zwergameisenbär fast herunterfiel. Dann tat er ganz brav und
machte sich ganz klein, weil er sich nicht merken konnte, dass Frau
Wasserschwein die nette Lehrerin war. Als er merkte, dass sie ihn gar
nicht mit strengem Blick beobachtete, setzte er sich zu Tukan und
laberte auf ihn ein. Dass er plötzlich einfach so draufloslaberte, war
eine Angewohnheit von ihm, die man ihm nicht übel nehmen sollte. Ihm
konnte sowieso keiner was übel nehmen, außer vielleicht Frau Harpye,
Herr Gürteltier, Anakonda und Leopard. Frau Harpye, weil sie so böse war
und jedem alles übel nahm, Herr Gürteltier, weil er immer so streng war
und einem jeden Quatsch übel nahm, Anakonda, weil sie jedem heimlich
mal was übel nahm und schon jeden mal angezischt hatte, und Leopard,
weil er immer Rache schwor und Affe nicht Teil von seinen Anhängern und
Cool-Findern war.
Plötzlich
sagte Frau Wasserschwein: "Liebe Schüler und Schülerinnen, heute kann
ich leider nicht bis zur Pause warten, bis alle da sind, ich muss leider
jetzt schon mit dem Unterricht beginnen."
"WARUM?", schrie Ozelot.
Tapir, Jaguar, Kasuar, Krokodil und Chamäleon lachten und riefen auch: "Warum?"
Frau
Wasserschwein sah die sechs lachenden und schreienden Männchen (Ozelot,
Tapir, Jaguar, Kasuar und Chamäleon) an und sagte: "Ich hab Ärger von
Frau Harpye und Frau Nasenbär, der Klassenleiterin, bekommen, Sie haben
mir gesagt, dass ich nicht fleißig genug bin und nicht immer warten
darf, bis alle da sind, weil ich so ganz viel Zeit schwänze. Dann haben
sie gesagt, dass ich strenger sein soll und euch nicht so viel Freiheit
lassen darf und dass ich euch mehr Druck machen muss, damit ihr besser
lernt. Und sie haben mir gesagt, dass ich euch nicht so viel Zeit für
das Mittagessen lassen darf und die Pausenzeit auf ein Drittel der
normalen Pausenzeit minimieren muss."
Da kam Leopard herein. Auf
seinen lautlosen, samtigen Pfoten hatte ihn niemand gehört. Er kam
direkt auf Frau Wasserschwein zu, riss sein Maul auf und fauchte so
laut, dass alle es hören konnten und verstummten: "Aber mir, mir,
Leopard, lässt du die normale Pausenzeit!"
Ein paar Weibchen kicherten.
Tapir, Jaguar, Kasuar, Krokodil und Chamäleon klatschten.
Ozelot schnurrte.
Tukan gähnte.
Zwergameisenbär versteckte ihren Kopf.
Affe machte Schabernack.
"Vor
allem dir, Leopard, kann ich die normale Pausenzeit schon gar nicht
lassen", sagte Frau Wasserschwein traurig. "Wie gerne ich mich auch
weigern würde. Aber wenn Frau Harpye und Frau Nasenbär Druck machen,
dann machen sie Druck, und wenn ich nicht das mache, was sie sagen,
werde ich gefeuert."
Leopard lächelte sein bedrohliches Lächeln.
"Dann..." Den Rest konnte man nicht mehr verstehen. Man hörte nur, dass
er etwas murmelte, aber was, das konnte man nicht verstehen.
Frau
Wasserschwein räusperte sich. "So, jetzt fange ich mit dem Unterricht
an. Ich unterrichte wieder wie üblich die Vögel und Allesfresser. Gleich
kommen noch Herr Kaiman für den Fachunterricht für Fleischfresser und
Frau Aguti für die Pflanzenfresser."
Der Unterricht dauerte 45
Minuten. Na ja, eher 47 Minuten. Die alte Sanduhr von Frau Wasserschwein
war nämlich nicht auf die Sekunde genau eingestellt und da die
allermeisten Tiere sich nicht sehr gut mit Zahlen auskannten, blieb das
fürs Erste so und alle konnten gut damit leben. Schließlich waren zwei
Minuten mehr oder weniger auch nicht der Weltuntergang, außer vielleicht
für einen Perfektionisten, den es unter den Tieren aber nicht gab.
Als der Fachunterricht vorbei war, war Pause. Undzwar eine Pause, die auf ein Drittel der normalen Pausenzeit gekürzt war.
😰
Inhalt
Kapitel 1: Frau Wasserschwein hat Ärger bekommen
Kapitel 2: Ozelot hat Todesangst
Kapitel 3: Der Liebesbrief
Kapitel 4: Ein Kampf ohne Blut
Kapitel 5: Die Obstinsel
Kapitel 6: Affe kriecht
Kapitel 7: Die gesprächige Rostkatze und die schweigsame Rostkatze
Kapitel 8: Ozelot verschweigt etwas
Kapitel 9: Alt-neue Pausenzeit
Kapitel 10: Ozelot statt Leopard
Kapitel 1: Frau Wasserschwein hat Ärger bekommen
Die Sonne ging auf. Ihre Strahlen erreichten sogar Tukans Ast. Tukan wachte auf. Er blinzelte einmal und gähnte. Dann breitete er seine Fl...
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Mit der Zeit wussten alle den Grund zur Freude von Rostkatze. Und natürlich hatten ihn Tukan, Affe und Nilpferd herausgefunden. Sie hatten n...
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Kapitel 1: Frau Wasserschwein hat Ärger bekommen Kapitel 2: Ozelot hat Todesangst Kapitel 3: Der Liebesbrief Kapitel 4: Ein Kampf ohne Blut ...
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Die Sonne ging auf. Ihre Strahlen erreichten sogar Tukans Ast. Tukan wachte auf. Er blinzelte einmal und gähnte. Dann breitete er seine Fl...
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Tukan, Affe und Nilpferd hatten nicht sehr viel herausfinden können. Ozelot blieb viel länger als gedacht. Als er schließlich zu ihnen kam, ...