Zum Glück hatte sich die Stimmung am nächsten Morgen wesentlich gebessert und die 4 konnten wieder miteinander reden wie normale Freunde. Vor allem stärkte es ihre Freundschaft und Zusammenarbeit, dass der Tag mit Rechtschreibung-Grammatik-Zeichensetzung-Unterricht von Frau Harpye begann, und bei Frau Harpye war der Begriff "vereint von der Not" bei jedem Freund geläufig.
In der Pause bekamen die 4 detektivischen Freunde Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot endlich mal wieder Beweisfutter. Und damit hatten sie wieder etwas für ihre Besprechungen. Na ja, so nützlich war es gar nicht, aber es bestätigte zumindest einige Vermutungen von Ozelot. Leopard blieb nämlich plötzlich stehen und drehte sich zu seinen Fans um. Und er musterte sie mit dem selben Blick, der Ozelot so viel über Leopards Innenleben verraten hatte. Es war der Blick, der verriet, dass Leopard seine Fans nicht wollte, dass sie zu viele waren, dass er sie lästig fand, ja, dass sie ihn belästigten und ihm jede Freiheit nahmen, weil sie ihm auf Schritt und Tritt folgten und immer an seinen Fersen hingen und ihn so einigermaßen beengten und bedrängten, weil er so keine wirkliche Privatsphäre hatte. Und es gab nur sehr, sehr wenige, die diesen Blick deuten konnten. Dazu gehörten Ozelot, Affe, Tukan, Nilpferd und Rostkatze, die Leopard offenbar auch die meisten seiner Gedanken von den Augen lesen konnte. Sie war ja auch in ihn verknallt und schien ihn gut kennen zu müssen. Und dann konnten diesen Blick vielleicht noch ein paar andere lesen, aber sie wollten es sich nicht vorstellen, weil sie es nicht glauben wollten, dass er sie lästig fand. Jaguar zum Beispiel konnte den Blick lesen, und Nebelparder wahrscheinlich auch, weil es zu ihm passte.
Leopard fixierte seinen Blick nun auf Rostkatze. Er betrachtete sie lange, dann schaute er noch einmal kurz zu seinen Fans, dann schaute er wieder zu Rostkatze und dann drehte er sich seufzend wieder um und schlich auf seinen rosettenübersäten, weichen, lautlosen Pfoten weiter. Und (ohne dass er es wollte) verfolgten ihn seine Fans wieder. Weil er nicht mit ihnen redete, wie er es normalerweise tat, begannen sie zu flüstern. Schon bald flüsterten sie über alles mögliche und schließlich schrien sie durcheinander, bis Tapir schließlich zu Leopard trampelte und ihn lautstark fragte, ob sie sich am nächsten Tag verabreden wollten. Sofort hörten ihn die anderen und schrien, dass sie auch dabeisein wollten, weil es sonst ihrer Ansicht nach unfair war. Leopard konnte nicht anders und stimmte zu.
Schon bald war die Verabredung und Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot kamen. Und... Anakonda. Obwohl sie niemand eingeladen hatte.
Am Anfang machten die Tiere, die sich verabredeten, einen Ausflug durch den Dschungel. Die Raubtiere unter ihnen machten währenddessen schon Jagd auf Kleintiere, die nicht mit ihnen auf eine Schule gingen. Jaguar hätte sogar fast Zwergameisenbär gefressen, aber in letzter Sekunde hatte er ihre Stimme erkannt, als sie verängstigt piepste: "Ich bin Zwergameisenbär! Friss mich bitte nicht, Jaguar!" Nach dieser Situation wurde Rostkatze irgendwie schweigsam und sagte für den ganzen Rest des Tages nichts mehr. Außerdem achtete sie plötzlich darauf, so leise wie möglich zu schleichen und nicht wie normalerweise unbeholfen zu tapsen. Und das auffälligste war: Sie vermied Leopard. Am nächsten Tag ging das in der Schule genauso. Sie versteckte sich unter den Fans, wollte plötzlich nicht mehr wie früher neben Leopard auf dem Baum sitzen, war während dem Unterricht andauernd nervös und warf ab und zu Blicke auf Leopard oder andere Raubtiere, die größer waren als sie, zum Beispiel Jaguar oder Nebelparder. Das ging ganze Wochen so. Sie hatte sich völlig verändert. Sie war nicht mehr die vergnügte, gesprächige Rostkatze, die sich sogar mit einem Liebesbrief an Leopard, den Haupt-Quatschmacher, zum Gespött und Gesprächsthema der Klasse machte. Jetzt war sie eine stille, nervöse, unauffällige Rostkatze, die sich dauernd umschaute. Das fanden Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot sehr merkwürdig. Sie wollten herausfinden, was seit kurzer Zeit in Rostkatzes kleinem, platten Kopf vorging. Deshalb hielten sie schon bald wieder an einem Abend eine Besprechung und sammelten Ideen, was in Rostkatze gefahren sein könnte. Genauer gesagt, sie wollten Ideen sammeln, hatten aber keine und tauschten einfach aus, was sie so für Beobachtungen über Rostkatzes Verhalten gemacht hatten.
"Mir ist aufgefallen, dass sie seitdem viel aufmerksamer beim Überlebens-Unterricht ist und viel ängstlicher beim Nahrungs-Unterricht schaut", erklärte Affe.
"Ich finde, dass Rostkatze viel sympathischer war, als sie noch normal war. Ich mochte sie sogar sehr gerne - ich mochte sie. Ich mag sie aber nicht mehr, seit sie so anders ist, wie sie jetzt ist", sagte Ozelot.
"Aha, du mochtest sie also!", stichelte Tukan und lachte kurz. "Na ja, zur Sache. Meine Beobachtung ist, dass sie Leopard seitdem extrem stark aus dem Weg geht. Das ist schon wirklich auffällig! Sie war doch so doll in ihn verknallt! Hm, sehr rätselhaft, das ganze. In der Sache müssten wir auf jeden Fall mal nachforschen, damit endlich Klarheit herrscht. Auf jeden Fall ist jetzt jedenfalls Nilpferd dran mit Beobachtungen. Nilpferd, was ist dir aufgefallen?"
"Rostkatze hat jetzt noch mehr Angst vor Frau Harpye", sagte Nilpferd langsam.
"Das stimmt! Früher hat sie ja sogar noch manchmal Widerstand gegen Frau Harpye geleistet! Wisst ihr noch, wie sie uns damals für einen Streich gegen Frau Harpye anzetteln wollte?" Tukan kicherte.
"Oh ja! Das war doch irgendwie so ein aus Blättern gemachter Apparat, um Frau Harpye eine Feder vom Fügel zu zupfen und sie dann damit zu kitzeln oder so... Eine sehr schlaue Erfindung eigentlich...", sagte Affe.
"Hm, na ja, egal. Wir wollten ja eigentlich über die komische Sache mit Rostkatze reden", sagte Tukan. "Habt ihr noch weitere Beobachtungen aufgestellt?"
Affe, Ozelot und Nilpferd schüttelten die Köpfe.
"Dann müssen wir eben noch welche machen!", rief Tukan. "Und zwar morgen in der Pause. Wir mischen uns einfach wieder unter die Fans und beschatten diesmal nicht Leopard, sondern Rostkatze. Ein super Plan, oder? Das machen wir. Oder habt ihr noch andere Ideen?"
Wieder schüttelten Affe, Ozelot und Nilpferd die Köpfe. Also war es beschlossene Sache, dass sie Tukans sehr schlichten Plan durchführten.
Schon in der nächsten Pause waren sie bereit, irgendetwas herauszufinden.
Tapir schlug vor, Verstecken-Fangen zu spielen. Leopard war der Fänger. Er stellte sich hinter eine sehr breite Palme und konnte nichts sehen. Dann zählte er bis 30 und sah sich um. Mit seinen scharfen Augen konnte er sofort sehen, dass der schwerfällige Tapir sich hinter einem Busch versteckte. Leopard sprintete los und hatte sich vor Tapir aufgebaut, bevor dieser sich ein anderes Versteck suchen konnte. Die beiden suchten weiter und fanden Nilpferd, der sich nicht sehr große Mühe gab, ungesehen zu bleiben. Zu dritt fanden sie auf einmal noch Tukan und Affe. Danach spürten sie Chamäleon auf, den sie nur gesehen hatten, weil er ihnen die Zunge herausgestreckt hatte. Danach entdeckten sie Kasuar und etwas später Jaguar, der sich dadurch verraten hatte, dass er sich ständig bewegte. Schließlich fanden sie sogar Krokodil, der so getan hatte, als wäre er ein Baumstamm. Dann fanden sie Ozelot und kurz darauf auch noch Nebelparder. Doch Rostkatze blieb unentdeckt. Ozelot, Leopard und Affe kletterten auf Bäume, weil sie dachten, von oben könnten sie sie besser entdecken. Tukan hüpfte neben ihnen auf den Ästen herum und flog ab und zu ein bisschen. Chamäleon spionierte hinter großen Blättern. Nebelparder und Jaguar schlichen lautlos um den ganzen Schulhof. Kasuar stürmte mit seinen langen Beinen und seinem beängstigenden langen Hals von Baum zu Baum und sah nach, ob Rostkatze sich daminter versteckte. Krokodil legte sich in einen kleinen Pfuhl und beobachtete von dort aus alles, was sich bewegte. Nur seine Augen und Nasenlöcher ragten aus der Oberfläche, aber sie waren gut getarnt. Das Versteck-Spiel war gut geeignet, um das Überleben zu trainieren. Na ja, Nilpferd lag in einem Tümpel und schlief.
Gegen Pausenende fragte Leopard Ozelot, Affe und Tukan: "Wisst ihr, was seit der Verabredung mit Rostkatze ist?"
"Nein, und wir wollen es herausfinden", sagte Ozelot.
"Weißt du es denn, Leopard?", fragte Tukan plötzlich.
Leopard schüttelte den Kopf. "Woher auch?"
"Wenn wir sie finden, fragen wir sie!", rief Affe. "Ich hab langsam genug von den Geheimnissen!"
Es dauerte noch eine Weile, bis sie die Chance dazu haben würden, Rostkatze danach zu fragen, was los sei. Manchmal schafften sie es, sie anzusprechen, aber sie schien zwar akustisch zu hören, nicht aber geistig zu verstehen, was sie zu ihr sagten, und war in Gedanken ganz weit weg. Sie antwortete nie und ihr Blick war auch nie auf Tukan, Affe, Ozelot und Nilpferd gerichtet, sondern auf Leopard und manchmal auch Jaguar und Nebelparder. Das half ihnen nicht sehr weiter.
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