Am nächsten Morgen gingen Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot alle gemeinsam zur Schule. So waren sie auch alle gleich früh da, und zwar sehr früh; so früh, wie Tukan gewöhnlich immer zur Schule kam. Affe fand das etwas ungewöhnlich, so früh zu kommen, aber er fand es auch ganz cool, mal zu sehen, wie die große Palme aussah, wenn nicht schon alle längst da waren.
Frau Harpye war ganz baff, als sie sah, dass Ozelot mit Tukan, Affe und Nilpferd zur Schule kam, 3 ganz netten, normalen und nicht "quatschigen" Tierkindern. Fast hätte sie ihm schon ein OJE gegeben, weil sie dachte, dass er etwas gefährliches mit den 3 Freunden vorhatte, aber dann ließ sie das doch sein, weil Ozelot sich vernünftig und nicht irgendwie komisch niederließ und auch keine komischen Sachen machte, sondern sich nur leise mit Tukan, Affe und Nilpferd über Leopard austauschte. Das Thema war Frau Harpye übrigens unbekannt, sie wusste also nicht, dass sie sich über Leopard unterhielten, sie wusste nur, dass sie über etwas redeten.
So langsam füllten sich die Äste und großen Blätter der großen Palme und schon bald war schon jeder einzelne schüler und jede Schülerin, selbst die kleine Zwergameisenbär, eingetroffen.
Hier ist noch einmal eine Liste von allen Schülern und ein paar Beschreibungen von ihnen:
Tukan war der beste Freund von Affe und Nilpferd. Er bildete zusammen mit Affe, Nilpferd und Ozelot eine Gruppe von Tierkindern, die wissen wollten, ob Leopard auch in Rostkatze verknallt war. Er lernte ganz gut und machte nicht so gern Quatsch.
Affe machte ganz gerne Quatsch, war aber kein Fan von Leopard. Seine besten Freunde waren Tukan und Nilpferd. Gut lernen tat er nicht gerade.
Nilpferd lernte auch nicht sehr gut, war aber etwas besser als Affe. Viel Quatsch machte er nicht. Er war mit Tukan, Affe und Ozelot befreundet.
Ozelot hasste es, zu lernen. Es gab zwei Sachen, die er hasste. Die eine Sache, die er hasste, war, wie gesagt, das Lernen. Die andere Sache war Leopard. Er hatte schon viele OJEs.
Leopard hatte sehr viele Fans und war der Erzfeind von Ozelot. Seine größten Fans waren Tapir, Krokodil, Chamäleon, Jaguar und Kasuar. Rostkatze war in ihn verknallt. Wenn er jemandem etwas übel nahm, schwor er sofort Rache. Es gab drei Kategorien bei den Weibchen: Die meisten Raubtiere fanden ihn cool und waren Fans von ihm. Die meisten Pflanzen fressenden fürchteten sich vor ihm. Ein paar fanden ihn nervig und uncool und ignorierten ihn.
Tapir war der allertreueste und größte Fan von Leopard und war völlig abhängig von ihm. Als Leopard noch nicht da war, war er Ozelots Fan gewesen.
Chamäleon war ziemlich zwielichtig und konnte sich extrem gut tarnen, wie alle Chamäleons. Manchmal schien er sich plötzlich einfach aufzulösen. Er war ein Fan von Leopard.
Jaguar war schon mehrere Male sitzengeblieben und deshalb ein paar Jahre älter als seine Klassenkameraden. Er war ein Fan von Leopard und unterstützte manchmal beim Unterricht Herr Kaiman, weil er schon ziemlich viel Erfahrung hatte.
Kasuar war der beste Freund von Jaguar und ein Fan von Leopard. Dabei lernte er gar nicht mal so schlecht, vielleicht sogar besser als Jaguar.
Krokodil war gar nicht mal so gefährlich, wie die meisten Weibchen ihn einschätzten. Dafür war er zu abhängig von Leopard.
Okapi lernte ziemlich gut und war Faultiers beste Freundin. Ihre Mutter zog jeden Morgen das Landfloß, das für viele Tierkinder sehr wichtig war.
Faultier lernte, obwohl das jetzt unwahrscheinlich klingt, sogar sehr gut. Sie war aber nicht sehr gesprächig. Okapi wusste über sie, dass sie sehr früh schlafen ging.
Ameisenbär war ebenfalls mit Faultier befreundet (wie Okapi) und hatte sich schon oft mit Okapi und Faultier verabredet. Er lernte mittelgut und seine Lieblingsspeise waren Ameisen.
Papagei (eigentlich Roter Ara) war der allerbeste Freund von Paradiesvogel und lernte wie Ameisenbär mittelgut. Na ja, eigentlich vielleicht etwas schlechter als mittelgut. Er machte nämlich ziemlich viel Quatsch. Von OJEs hatte er aber noch keine Sammlung. Bisher besaß er nur eins, auf das er nicht stolz war.
Paradiesvogel lernte viel besser als sein bester Freund Papagei. Er machte nämlich nicht gern Schabernack. Den Quatsch von Papagei fand er aber lustig.
Hyazinthara war, nun ja, etwas eitel. Von ihren Eltern wurde sie ziemlich verwöhnt. Sie war Zwergameisenbärs beste Freundin, nutzte das kleine Tierchen aber ziemlich für ihre eigenen Zwecke aus. Außerdem war nicht sehr nett von ihr, dass sie über Zwergameisenbär bestimmte und stets ihre Herrin war. Zwergameisenbär konnte sich dagegen nicht wehren. Hyazinthara machte gern Weibchenquatsch, (wohlgemerkt, nicht Männchenquatsch, den fand sie lästig) und lernte nicht gerade gut.
Zwergameisenbär konnte jeden Morgen ihre schreckliche Angst vor der Schule kaum überwinden und musste jedes Mal mühsam von ihrer Mutter überredet werden. Und so erschien sie jeden Tag pünktlich zur Schule und lernte gut, obwohl manche Sachen für sie eigentlich viel zu schwer waren. Sie machte nie Schabernack.
Rostkatze war in Leopard verknallt. Inzwischen wusste jeder von ihrem Liebesbrief, der ihr nicht peinlich war. Sie hatte keine richtigen Freunde, aber das war ihr recht. Sie schien dadurch nicht irgendwie unglücklich zu sein. Auf jeden Fall war sie sehr eigen. Quatsch machte sie nicht viel, gut lernen tat sie aber auch nicht.
Nebelparder war ebenfalls sehr eigen. Er war kein richtiger Fan von Leopard, hatte aber auch nicht richtig etwas gegen ihn. Er lernte mittelgut und machte seinen eigenen komischen Schabernack.
Anakonda war der Schrecken der Schule. Still und heimlich, wie sie sich immer verhielt, kroch sie auf den Ästen herum, spähte umher, schmiedete böse Rachepläne und verbreitete ein Unwohlgefühl. Sie hatte keine Freunde, weil alle sie fürchteten. Sie hasste alle Lehrer und alle Schüler. Nichts war vor ihr sicher, doch ihre Pläne waren von ihr bisher noch nicht wirklich verwirklicht worden... Bisher.
In der Pause beschatteten Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot wieder Leopard. Sie mischten sich wieder unter Leopards Fans und fielen Leopard nicht weiter auf. Wahrscheinlich dachte er, dass sie zu richtigen Fans geworden waren.
"Super, er scheint gut gelaunt zu sein", sagte Tukan. "Dann kriegen wir vielleicht mehr raus."
Zuerst fiel den 4 Freunden nicht viel auf, aber dann wollte Leopard allein sein. Natürlich hatte niemand etwas dagegen und das Gefolge ließ Leopard allein. Aber Tukan, Nilpferd, Affe und Ozelot gaben nicht auf und folgten Leopard heimlich an diesen Ort, wo er allein sein wollte. Das erwies sich als sehr sinnvoll für die Freunde, denn Leopard bewegte sich zu einem Dickicht, in dem zwei grün-gelbe Augen blitzten. Das war Rostkatze! Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot hatten diese Augen schon so oft gesehen, dass sie sie sofort erkannten. Sie hatten Rostkatze heute auch nicht unter dem Gefolge gesehen.
Leopard und Rostkatze bemerkten die 4 Freunde nicht und bewegten sich in den Schatten von zwei großen Palmen, wo sie nicht so gut gesehen werden konnten. Trotzdem wurden sie gesehen: Von Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot.
Die genauen Wörter, die die beiden sagten, verstanden Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot nicht, aber sie konnten deutlich merken, dass Leopards Stimme, die sonst immer rau wie Stein war, nun plötzlich samtweich war.
Ozelot konnte die beiden mit seinen scharfen Augen am besten beobachten, und er wusste, dass Leopard ihm niemals zutrauen würde, dass Ozelot sogar sah, dass Leopard und Rostkatze beide lächelten. Leopard unterschätzte Ozelot, seit er auf dieser Schule war. Und Ozelot wusste das und hatte es bisher immer schlecht gefunden, aber jetzt war es nützlich für ihn. So konnte Leopard nämlich nicht ahnen, was Ozelot alles sah: Wie Rostkatze und Leopard unter den zwei Palmen voreinander standen und ein paar Wörter wechselten, Leopard mit der samtweichen Stimme, die bei ihm zuvor noch niemand gehört hatte, und Rostkatze mit ihrer normalen Stimme. Die Augen der beiden glühten und funkelten und es schien, als würden sie sogar blitzen und Funken ausstoßen... Aber keine Hass-Funken, sondern eher das Gegenteil...
Leopard schnurrte laut, dann verstummten die beiden. Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot wussten nicht genau warum, aber jedenfalls wussten sie genau, dass sie schwiegen.
Ozelot beobachtete die beiden angestrengt. Rostkatze stand vor Leopard und Leopard stand vor Rostkatze, die Augen der beiden Raubtiere glühten, Rostkatzes gelb-grün, Leopards gelb-orange. Und zwischen den beiden stellte er sich die Funken vor, die von ihren Augen ausgingen... Zwischen den beiden lief doch was! Ja, ja! ...
Plötzlich erschrak Ozelot so doll, dass er fast von der Palme herunterfiel und auf den Boden krachte, aber er konnte es gerade noch vermeiden, damit sie nicht auffielen: Auf der Palme gegenüber von ihnen funkelten Anakondas 2 gelbe Augen! Anakonda beobachtete Leopard und Rostkatze offenbar ebenfalls! Nun, sie hatten sich aber wirklich kein gutes Versteck ausgesucht. Sie wurden von allen Seiten beobachtet.
Schließlich trat Leopard aus dem Schatten, drehte sich noch einmal verräterisch zu Rostkatze um und machte sich schließlich auf den Weg zu seinen Fans. Diese begannen sofort damit, ihn mit Fragen zu durchlöchern. Kein einziger verschonte ihn.
"Wo warst du, Leopard?" "Leopard! Da bist du ja!" "Wo ist Rostkatze?" "Leopard! Wir haben dich vermisst, Leopard!" "Leopard?" "Was hast du gemacht, Leopard?" "Wo hast du gesteckt, Leopard?" "Leopard, wo hast du dich versteckt?" "Warum wolltest du weg, Leopard?" "Bist du geflüchtet?" "Vor uns?"
Und auf keine der Fragen antwortete Leopard.
Die Pause war zu Ende. Sie war ja schließlich auf ein Drittel der normalen Pausenzeit gekürzt worden.
Am nächsten Schultag in der nächsten Pause geschah es, dass Anakonda Leopard angriff, aber knapp verlor. Es war so: Leopard lief, seine Fans im Schlepptau, unter einem Ast vorbei, auf dem Anakonda lag. Sie schnellte herunter, wickelte sich blitzschnell um seinen Bauch und... Nein, sie vergiftete ihn nicht! Keine natürliche Anakonda war eine Giftschlange. Natürliche Anakondas waren Würgeschlangen, die ihre Opfer mit ihren muskolösen Korpern erwürgten. Allerdings war sie nicht schnell genug und Leopard wehrte sich. Es kam zu einem Kampf. Er war schmerzhaft, nicht aber blutig. Kein einziger Tropfen Blut floss.
Leopard brachte während dem Kampf keinen einzigen Ton heraus, außer ab und zu einem verkrampften Fauchen. Wenn er nicht all seine Kraft zusammennahm, würde bald sein letztes Stündchen geschlagen haben. Ein paar schreckliche Sekunden stiller Verzweiflung vergingen, dann war schließlich der Moment gekommen, in dem Leopards Nerven vibrierten und er seine absolute Überforderung rausließ, indem er seine ganze Kraft zusammennahm, mit seiner Tatze mit den scharfen Krallen nach Anakonda ausholte und einen ohrenbetäubend lauten Ton ausstieß, der eine Mischung aus Brüllen, Fauchen und Knurren war. Fast wäre das Blut, das diesem Kampf fehlte, doch noch geflossen, da wich Anakonda in letzter Sekunde aus und zischte: "Ich gebe auf."
Es schien, als könne Leopard jetzt unter dem Gebrüll seiner Fans siegreich abziehen, doch da erklang wieder Anakondas fürchterliche Stimme: "Du hast gewonnen, Leopard. Aber nur für dieses eine Mal! Denn jetzt werde ich gegen Rostkatze kämpfen!"
Leopard riss seine gelben Augen weit auf. Sie glühten und glühten und man konnte in ihnen förmlich erkennen, wie entsetzt Leopard war.
Anakonda lächelte bedrohlich, geheimnissvoll und finster. Ja, diesmal war sie es, die bedrohlich lächelte. Dieses eine Mal war es nicht Leopard. "Ja", sagte sie langsam. "Rostkatze." Nach einer kleinen Pause sagte sie wieder, nur diesmal langsamer und betonter: "Rrrossstttkkkatttzzze."
Als Leopard sich beruhigt hatte, wurde er wieder kühl. "Warum ausgerechnet Rostkatze? Was hat Rostkatze damit zu tun?", fragte er unschuldig.
"Das weißt du genau", zischte Anakonda und das Lächeln verschwand von ihrem kleinen, schmalen Schlangengesicht. Nun verfinsterte sie ihren Blick noch mehr und ein bedrohlicher Schatten huschte über ihr Gesicht. "Du weißt es sogar am genauesten, Leopard", zischte sie.
Leopard machte sich kampfbereit. Er spannte seine Muskeln an, fixierte seinen Blick auf Anakonda, ließ seine Augen lodern und glühen und Funken sprühen und war jederzeit bereit zum Sprung. Auch wenn er nichts sagte, jeder wusste, dass er in diesem Moment Rache auf Anakonda schwor.
"Was du machst, ist völlig unnötig", zischelte Anakonda und wirkte gelassen, so, wie Leopard früher immer war. Früher, bis zu dem Moment, wo der Kampf begonnen hatte. Und er hatte nicht aufgehört, denn innerlich ging er weiter.
"Nicht du sollst jetzt kämpfen, sondern Rostkatze", fuhr Anakonda fort. "Du kannst unserem Kampf beiwohnen, wenn du Wert darauf legst, aber es wird dir nichts nützen. Vielleicht wird es sogar gefährlich für dich sein."
Leopard loderte und loderte und glühte und glühte. "Warum willst du mich überhaupt töten?", rief er.
Auf diese Frage antwortete Anakonda nicht. "Es gibt Gründe, die du nicht kennst", war das, was er aus ihr herausbekam. So eine gefährliche und ernste Feindschaft wie diese mit Anakonda hatte Leopard noch nie gekannt. In jeder Sekunde konnte etwas passieren. Es ging um Leben und Tod. Er erlebte ein Gefühl aus Frust, Wut und Verzweiflung und anderen negativen Emotionen zugleich, wie er es noch nie erlebt hatte. Jede Sekunde war wertvoll, die ausgewachsenen Tiere wussten das. Der Überlebens-Unterricht war nicht umsonst. Für solche ernsten Situationen war er nützlich.
Bisher war Leopard immer im Vorteil gewesen, wenn er mit einem anderen Tier gekämpft hatte. Die Feindschaften (wie unter anderem die mit Ozelot) waren nur harmlose Spiele gewesen.
"Nun, was ist?", zischte Anakonda. "Siehst du dir den Kampf an oder nicht?" Sie schlängelte los.
Leopard folgte ihr mit gesenktem Kopf, angespannten Muskeln, pochendem Herzen und lodernden Augen.
Als der Kampf zwischen Rostkatze und Anakonda begonnen hatte, war in Leopards Kopf nur noch ein einziges Wort, das er vorher nicht gekannt hatte: UNGERECHT. Der Kampf war ungerecht. Anakonda war blitzschnell, hinterlistig und unberechenbar und Rostkatze war klein, gewissenhaft und... na ja, eben im Nachteil. Sie war zwar flink und wendig, aber da sie es mit Anakonda, einer muskolösen, hinterhältigen Würgeschlange zu tun hatte, nützte ihr das nicht viel.
Zum ersten Mal in seinem Leben wurde Leopard klar, was Gerechtigkeit und was Ungerchtigkeit war. Und er musste für die Gerechtigkeit kämpfen, damit Rostkatze nicht durch Anakonda starb, aber viel konnte er nicht unternehmen, außer zu lodern und zu glühen und Funken zu sprühen.
Die Pause wäre längst vorbei gewesen, aber kein Tierkind beachtete das. Alle, selbst die kleine Zwergameisenbär, die nur weinte, standen um Rostkatze und Anakonda herum und beobachteten angespannt den Kampf. Auch einige Lehrer (Frau Wasserschwein, Herr Kaiman und Frau Aguti) riefen nicht mehr vergeblich nach den Kindern, sondern beobachteten den Atem anhaltend den Kampf.