Kapitel 4: Ein Kampf ohne Blut

Am nächsten Morgen gingen Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot alle gemeinsam zur Schule. So waren sie auch alle gleich früh da, und zwar sehr früh; so früh, wie Tukan gewöhnlich immer zur Schule kam. Affe fand das etwas ungewöhnlich, so früh zu kommen, aber er fand es auch ganz cool, mal zu sehen, wie die große Palme aussah, wenn nicht schon alle längst da waren.
Frau Harpye war ganz baff, als sie sah, dass Ozelot mit Tukan, Affe und Nilpferd zur Schule kam, 3 ganz netten, normalen und nicht "quatschigen" Tierkindern. Fast hätte sie ihm schon ein OJE gegeben, weil sie dachte, dass er etwas gefährliches mit den 3 Freunden vorhatte, aber dann ließ sie das doch sein, weil Ozelot sich vernünftig und nicht irgendwie komisch niederließ und auch keine komischen Sachen machte, sondern sich nur leise mit Tukan, Affe und Nilpferd über Leopard austauschte. Das Thema war Frau Harpye übrigens unbekannt, sie wusste also nicht, dass sie sich über Leopard unterhielten, sie wusste nur, dass sie über etwas redeten.
So langsam füllten sich die Äste und großen Blätter der großen Palme und schon bald war schon jeder einzelne schüler und jede Schülerin, selbst die kleine Zwergameisenbär, eingetroffen.
Hier ist noch einmal eine Liste von allen Schülern und ein paar Beschreibungen von ihnen:
Tukan war der beste Freund von Affe und Nilpferd. Er bildete zusammen mit Affe, Nilpferd und Ozelot eine Gruppe von Tierkindern, die wissen wollten, ob Leopard auch in Rostkatze verknallt war. Er lernte ganz gut und machte nicht so gern Quatsch.
Affe machte ganz gerne Quatsch, war aber kein Fan von Leopard. Seine besten Freunde waren Tukan und Nilpferd. Gut lernen tat er nicht gerade.
Nilpferd lernte auch nicht sehr gut, war aber etwas besser als Affe. Viel Quatsch machte er nicht. Er war mit Tukan, Affe und Ozelot befreundet.
Ozelot hasste es, zu lernen. Es gab zwei Sachen, die er hasste. Die eine Sache, die er hasste, war, wie gesagt, das Lernen. Die andere Sache war Leopard. Er hatte schon viele OJEs.
Leopard hatte sehr viele Fans und war der Erzfeind von Ozelot. Seine größten Fans waren Tapir, Krokodil, Chamäleon, Jaguar und Kasuar. Rostkatze war in ihn verknallt. Wenn er jemandem etwas übel nahm, schwor er sofort Rache. Es gab drei Kategorien bei den Weibchen: Die meisten Raubtiere fanden ihn cool und waren Fans von ihm. Die meisten Pflanzen fressenden fürchteten sich vor ihm. Ein paar fanden ihn nervig und uncool und ignorierten ihn.
Tapir war der allertreueste und größte Fan von Leopard und war völlig abhängig von ihm. Als Leopard noch nicht da war, war er Ozelots Fan gewesen.
Chamäleon war ziemlich zwielichtig und konnte sich extrem gut tarnen, wie alle Chamäleons. Manchmal schien er sich plötzlich einfach aufzulösen. Er war ein Fan von Leopard.
Jaguar war schon mehrere Male sitzengeblieben und deshalb ein paar Jahre älter als seine Klassenkameraden. Er war ein Fan von Leopard und unterstützte manchmal beim Unterricht Herr Kaiman, weil er schon ziemlich viel Erfahrung hatte.
Kasuar war der beste Freund von Jaguar und ein Fan von Leopard. Dabei lernte er gar nicht mal so schlecht, vielleicht sogar besser als Jaguar.
Krokodil war gar nicht mal so gefährlich, wie die meisten Weibchen ihn einschätzten. Dafür war er zu abhängig von Leopard.
Okapi lernte ziemlich gut und war Faultiers beste Freundin. Ihre Mutter zog jeden Morgen das Landfloß, das für viele Tierkinder sehr wichtig war.
Faultier lernte, obwohl das jetzt unwahrscheinlich klingt, sogar sehr gut. Sie war aber nicht sehr gesprächig. Okapi wusste über sie, dass sie sehr früh schlafen ging.
Ameisenbär war ebenfalls mit Faultier befreundet (wie Okapi) und hatte sich schon oft mit Okapi und Faultier verabredet. Er lernte mittelgut und seine Lieblingsspeise waren Ameisen.
Papagei (eigentlich Roter Ara) war der allerbeste Freund von Paradiesvogel und lernte wie Ameisenbär mittelgut. Na ja, eigentlich vielleicht etwas schlechter als mittelgut. Er machte nämlich ziemlich viel Quatsch. Von OJEs hatte er aber noch keine Sammlung. Bisher besaß er nur eins, auf das er nicht stolz war.
Paradiesvogel lernte viel besser als sein bester Freund Papagei. Er machte nämlich nicht gern Schabernack. Den Quatsch von Papagei fand er aber lustig.
Hyazinthara war, nun ja, etwas eitel. Von ihren Eltern wurde sie ziemlich verwöhnt. Sie war Zwergameisenbärs beste Freundin, nutzte das kleine Tierchen aber ziemlich für ihre eigenen Zwecke aus. Außerdem war nicht sehr nett von ihr, dass sie über Zwergameisenbär bestimmte und stets ihre Herrin war. Zwergameisenbär konnte sich dagegen nicht wehren. Hyazinthara machte gern Weibchenquatsch, (wohlgemerkt, nicht Männchenquatsch, den fand sie lästig) und lernte nicht gerade gut.
Zwergameisenbär konnte jeden Morgen ihre schreckliche Angst vor der Schule kaum überwinden und musste jedes Mal mühsam von ihrer Mutter überredet werden. Und so erschien sie jeden Tag pünktlich zur Schule und lernte gut, obwohl manche Sachen für sie eigentlich viel zu schwer waren. Sie machte nie Schabernack.
Rostkatze war in Leopard verknallt. Inzwischen wusste jeder von ihrem Liebesbrief, der ihr nicht peinlich war. Sie hatte keine richtigen Freunde, aber das war ihr recht. Sie schien dadurch nicht irgendwie unglücklich zu sein. Auf jeden Fall war sie sehr eigen. Quatsch machte sie nicht viel, gut lernen tat sie aber auch nicht.
Nebelparder war ebenfalls sehr eigen. Er war kein richtiger Fan von Leopard, hatte aber auch nicht richtig etwas gegen ihn. Er lernte mittelgut und machte seinen eigenen komischen Schabernack.
Anakonda war der Schrecken der Schule. Still und heimlich, wie sie sich immer verhielt, kroch sie auf den Ästen herum, spähte umher, schmiedete böse Rachepläne und verbreitete ein Unwohlgefühl. Sie hatte keine Freunde, weil alle sie fürchteten. Sie hasste alle Lehrer und alle Schüler. Nichts war vor ihr sicher, doch ihre Pläne waren von ihr bisher noch nicht wirklich verwirklicht worden... Bisher.

In der Pause beschatteten Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot wieder Leopard. Sie mischten sich wieder unter Leopards Fans und fielen Leopard nicht weiter auf. Wahrscheinlich dachte er, dass sie zu richtigen Fans geworden waren.
"Super, er scheint gut gelaunt zu sein", sagte Tukan. "Dann kriegen wir vielleicht mehr raus."
Zuerst fiel den 4 Freunden nicht viel auf, aber dann wollte Leopard allein sein. Natürlich hatte niemand etwas dagegen und das Gefolge ließ Leopard allein. Aber Tukan, Nilpferd, Affe und Ozelot gaben nicht auf und folgten Leopard heimlich an diesen Ort, wo er allein sein wollte. Das erwies sich als sehr sinnvoll für die Freunde, denn Leopard bewegte sich zu einem Dickicht, in dem zwei grün-gelbe Augen blitzten. Das war Rostkatze! Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot hatten diese Augen schon so oft gesehen, dass sie sie sofort erkannten. Sie hatten Rostkatze heute auch nicht unter dem Gefolge gesehen.
Leopard und Rostkatze bemerkten die 4 Freunde nicht und bewegten sich in den Schatten von zwei großen Palmen, wo sie nicht so gut gesehen werden konnten. Trotzdem wurden sie gesehen: Von Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot.
Die genauen Wörter, die die beiden sagten, verstanden Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot nicht, aber sie konnten deutlich merken, dass Leopards Stimme, die sonst immer rau wie Stein war, nun plötzlich samtweich war.
Ozelot konnte die beiden mit seinen scharfen Augen am besten beobachten, und er wusste, dass Leopard ihm niemals zutrauen würde, dass Ozelot sogar sah, dass Leopard und Rostkatze beide lächelten. Leopard unterschätzte Ozelot, seit er auf dieser Schule war. Und Ozelot wusste das und hatte es bisher immer schlecht gefunden, aber jetzt war es nützlich für ihn. So konnte Leopard nämlich nicht ahnen, was Ozelot alles sah: Wie Rostkatze und Leopard unter den zwei Palmen voreinander standen und ein paar Wörter wechselten, Leopard mit der samtweichen Stimme, die bei ihm zuvor noch niemand gehört hatte, und Rostkatze mit ihrer normalen Stimme. Die Augen der beiden glühten und funkelten und es schien, als würden sie sogar blitzen und Funken ausstoßen... Aber keine Hass-Funken, sondern eher das Gegenteil...
Leopard schnurrte laut, dann verstummten die beiden. Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot wussten nicht genau warum, aber jedenfalls wussten sie genau, dass sie schwiegen.
Ozelot beobachtete die beiden angestrengt. Rostkatze stand vor Leopard und Leopard stand vor Rostkatze, die Augen der beiden Raubtiere glühten, Rostkatzes gelb-grün, Leopards gelb-orange. Und zwischen den beiden stellte er sich die Funken vor, die von ihren Augen ausgingen... Zwischen den beiden lief doch was! Ja, ja! ...
Plötzlich erschrak Ozelot so doll, dass er fast von der Palme herunterfiel und auf den Boden krachte, aber er konnte es gerade noch vermeiden, damit sie nicht auffielen: Auf der Palme gegenüber von ihnen funkelten Anakondas 2 gelbe Augen! Anakonda beobachtete Leopard und Rostkatze offenbar ebenfalls! Nun, sie hatten sich aber wirklich kein gutes Versteck ausgesucht. Sie wurden von allen Seiten beobachtet.
Schließlich trat Leopard aus dem Schatten, drehte sich noch einmal verräterisch zu Rostkatze um und machte sich schließlich auf den Weg zu seinen Fans. Diese begannen sofort damit, ihn mit Fragen zu durchlöchern. Kein einziger verschonte ihn.
"Wo warst du, Leopard?" "Leopard! Da bist du ja!" "Wo ist Rostkatze?" "Leopard! Wir haben dich vermisst, Leopard!" "Leopard?" "Was hast du gemacht, Leopard?" "Wo hast du gesteckt, Leopard?" "Leopard, wo hast du dich versteckt?" "Warum wolltest du weg, Leopard?" "Bist du geflüchtet?" "Vor uns?"
Und auf keine der Fragen antwortete Leopard.
Die Pause war zu Ende. Sie war ja schließlich auf ein Drittel der normalen Pausenzeit gekürzt worden.

Am nächsten Schultag in der nächsten Pause geschah es, dass Anakonda Leopard angriff, aber knapp verlor. Es war so: Leopard lief, seine Fans im Schlepptau, unter einem Ast vorbei, auf dem Anakonda lag. Sie schnellte herunter, wickelte sich blitzschnell um seinen Bauch und... Nein, sie vergiftete ihn nicht! Keine natürliche Anakonda war eine Giftschlange. Natürliche Anakondas waren Würgeschlangen, die ihre Opfer mit ihren muskolösen Korpern erwürgten. Allerdings war sie nicht schnell genug und Leopard wehrte sich. Es kam zu einem Kampf. Er war schmerzhaft, nicht aber blutig. Kein einziger Tropfen Blut floss.
Leopard brachte während dem Kampf keinen einzigen Ton heraus, außer ab und zu einem verkrampften Fauchen. Wenn er nicht all seine Kraft zusammennahm, würde bald sein letztes Stündchen geschlagen haben. Ein paar schreckliche Sekunden stiller Verzweiflung vergingen, dann war schließlich der Moment gekommen, in dem Leopards Nerven vibrierten und er seine absolute Überforderung rausließ, indem er seine ganze Kraft zusammennahm, mit seiner Tatze mit den scharfen Krallen nach Anakonda ausholte und einen ohrenbetäubend lauten Ton ausstieß, der eine Mischung aus Brüllen, Fauchen und Knurren war. Fast wäre das Blut, das diesem Kampf fehlte, doch noch geflossen, da wich Anakonda in letzter Sekunde aus und zischte: "Ich gebe auf."
Es schien, als könne Leopard jetzt unter dem Gebrüll seiner Fans siegreich abziehen, doch da erklang wieder Anakondas fürchterliche Stimme: "Du hast gewonnen, Leopard. Aber nur für dieses eine Mal! Denn jetzt werde ich gegen Rostkatze kämpfen!"
Leopard riss seine gelben Augen weit auf. Sie glühten und glühten und man konnte in ihnen förmlich erkennen, wie entsetzt Leopard war.
Anakonda lächelte bedrohlich, geheimnissvoll und finster. Ja, diesmal war sie es, die bedrohlich lächelte. Dieses eine Mal war es nicht Leopard. "Ja", sagte sie langsam. "Rostkatze." Nach einer kleinen Pause sagte sie wieder, nur diesmal langsamer und betonter: "Rrrossstttkkkatttzzze."
Als Leopard sich beruhigt hatte, wurde er wieder kühl. "Warum ausgerechnet Rostkatze? Was hat Rostkatze damit zu tun?", fragte er unschuldig.
"Das weißt du genau", zischte Anakonda und das Lächeln verschwand von ihrem kleinen, schmalen Schlangengesicht. Nun verfinsterte sie ihren Blick noch mehr und ein bedrohlicher Schatten huschte über ihr Gesicht. "Du weißt es sogar am genauesten, Leopard", zischte sie.
Leopard machte sich kampfbereit. Er spannte seine Muskeln an, fixierte seinen Blick auf Anakonda, ließ seine Augen lodern und glühen und Funken sprühen und war jederzeit bereit zum Sprung. Auch wenn er nichts sagte, jeder wusste, dass er in diesem Moment Rache auf Anakonda schwor.
"Was du machst, ist völlig unnötig", zischelte Anakonda und wirkte gelassen, so, wie Leopard früher immer war. Früher, bis zu dem Moment, wo der Kampf begonnen hatte. Und er hatte nicht aufgehört, denn innerlich ging er weiter.
"Nicht du sollst jetzt kämpfen, sondern Rostkatze", fuhr Anakonda fort. "Du kannst unserem Kampf beiwohnen, wenn du Wert darauf legst, aber es wird dir nichts nützen. Vielleicht wird es sogar gefährlich für dich sein."
Leopard loderte und loderte und glühte und glühte. "Warum willst du mich überhaupt töten?", rief er.
Auf diese Frage antwortete Anakonda nicht. "Es gibt Gründe, die du nicht kennst", war das, was er aus ihr herausbekam. So eine gefährliche und ernste Feindschaft wie diese mit Anakonda hatte Leopard noch nie gekannt. In jeder Sekunde konnte etwas passieren. Es ging um Leben und Tod. Er erlebte ein Gefühl aus Frust, Wut und Verzweiflung und anderen negativen Emotionen zugleich, wie er es noch nie erlebt hatte. Jede Sekunde war wertvoll, die ausgewachsenen Tiere wussten das. Der Überlebens-Unterricht war nicht umsonst. Für solche ernsten Situationen war er nützlich.
Bisher war Leopard immer im Vorteil gewesen, wenn er mit einem anderen Tier gekämpft hatte. Die Feindschaften (wie unter anderem die mit Ozelot) waren nur harmlose Spiele gewesen.
"Nun, was ist?", zischte Anakonda. "Siehst du dir den Kampf an oder nicht?" Sie schlängelte los.
Leopard folgte ihr mit gesenktem Kopf, angespannten Muskeln, pochendem Herzen und lodernden Augen.
Als der Kampf zwischen Rostkatze und Anakonda begonnen hatte, war in Leopards Kopf nur noch ein einziges Wort, das er vorher nicht gekannt hatte: UNGERECHT. Der Kampf war ungerecht. Anakonda war blitzschnell, hinterlistig und unberechenbar und Rostkatze war klein, gewissenhaft und... na ja, eben im Nachteil. Sie war zwar flink und wendig, aber da sie es mit Anakonda, einer muskolösen, hinterhältigen Würgeschlange zu tun hatte, nützte ihr das nicht viel.
Zum ersten Mal in seinem Leben wurde Leopard klar, was Gerechtigkeit und was Ungerchtigkeit war. Und er musste für die Gerechtigkeit kämpfen, damit Rostkatze nicht durch Anakonda starb, aber viel konnte er nicht unternehmen, außer zu lodern und zu glühen und Funken zu sprühen.
Die Pause wäre längst vorbei gewesen, aber kein Tierkind beachtete das. Alle, selbst die kleine Zwergameisenbär, die nur weinte, standen um Rostkatze und Anakonda herum und beobachteten angespannt den Kampf. Auch einige Lehrer (Frau Wasserschwein, Herr Kaiman und Frau Aguti) riefen nicht mehr vergeblich nach den Kindern, sondern beobachteten den Atem anhaltend den Kampf.

Kapitel 3: Der Liebesbrief

Nach der nächsten Briefe-Stunde mit Frau Wasserschwein lag ein sehr besonderer Brief in Leopards Briefkasten. Die Wörter, die übrigens nicht sehr viele waren, die auf dem kleinen Zettel standen, waren in einer schönen, ordentlichen Handschrift geschrieben. Es war ein Brief von Rostkatze. Sie gehörte schon lange zu der Gruppe der Fans von Leopard.
Rostkatze + Leopard 

Deine Rostkatze 💝
Wie ihr sicher schon erraten habt, war es natürlich ein Liebesbrief, den Leopard von Rostkatze bekommen hatte.
Nach ein paar Tagen hatte sich Rostkatzes Liebesbrief an Leopard schon in der ganzen Schule herumgesprochen und selbst Zwergameisenbär oder Chamäleon oder Kasuar oder Nebelparder wusste von ihm. Selbst die Lehrer.
Alle waren gespannt, wie oder ob überhaupt Leopard auf den Brief reagieren würde. Vor allem Tukan, Affe und Nilpferd wollten in dem Fall nachforschen. So taten sich die 3 Freunde zusammen und nahmen sich vor, Leopard in der Pause zu beobachten und sich unter sein Gefolge zu mischen. So lange die Pause noch nicht begonnen hatte, sammelten sie Ideen, was Leopards Reaktion sein könnte. Sie verpassten sowieso keinen wichtigen Unterricht, da es nur eine Rechtschreibung-Grammatik-Zeichensetzung-Wiederholung mit Frau Harpye gab.
"Also, was meint ihr zu dem Fall?", fragte Tukan leise seine 2 Freunde und sah in die Runde.
"Ich denke, dass Leopard heimliche Beziehungen mit Rostkatze hat und sie schon lange heimlich ein Paar sind und sich regelmäßig Liebesbriefe schreiben, aber nie zugeben, dass sie Affären haben", vermutete Affe eine kleine Spur zu laut, denn Frau Harpye bemerkte, dass er nicht aufmerksam ihr und ihren Wiederholungs-Faseleien zuhörte, und warf ihm eine strengen Blick zu.
Tukan zuckte zusammen und gab seinen Freunden im Flüsterton zu verstehen, dass sie eine Weile dem Gefasel lauschen und erst dann wieder mit der Besprechung fortfahren sollten. Also hörten sie Frau Harpye zu.
Als endlich Pause war (zwar eine auf ein Drittel der normalen Pausenzeit reduzierte Pause, aber das war den 3 Freunden jetzt mal egal), mischten sich Tukan, Affe und Nilpferd unauffällig unter Leopards Anhänger. Zu den treuesten Anhängern gehörten:
Tapir, Jaguar, Kasuar, Chamäleon, Krokodil, Okapi, Nebelparder, Goldkatze und natürlich Rostkatze, der es offensichtlich nicht peinlich war, dass jetzt inzwischen schon jeder wusste, dass sie an Leopard einen Liebesbrief geschrieben hatte. Auch nur, weil es ihr nicht peinlich war, fragte Affe sie: "Rostkatze, warum hast du eigentlich einen Liebesbrief geschrieben?" Er wollte nämlich herausfinden, ob zwischen Rostkatze und Leopard nicht vielleicht schon seit etwas längerem etwas lief.
Doch Rostkatze gab eine nicht sehr hilfreiche Antwort: "Ist doch klar, weil ich in Leopard verknallt bin! Warum sonst?"
Affe wollte unbedingt mehr wissen. "Ist er denn auch in dich?", fragte er. Und dann platzte es aus ihm heraus: "Hat er dir denn auch schon Liebesbriefe geschrieben?"
Rostkatze sah Affe aus ihren kleinen grün-gelben Augen verrwirrt an. "Ich weiß nicht!", sagte sie. "Aber wieso sollte Leopard auch sagen, dass er in mich verknallt ist oder mir Liebesbriefe schreiben? Er ist doch der coolste der Schule."
Affe verkrümelte sich wieder bei Tukan und Nilpferd, die offenbar auch noch nichts herausgefunden hatten. "Hatte keinen Erfolg", wisperte er ihnen enttäuscht zu.
"Wir auch nicht", flüsterte Tukan.
"Heute wird's wohl nix", sagte Nilpferd leise.
Die Lehrer, die Pausenaufsicht hatten, schrien "Pausenschluss!" und alle gingen zur großen Palme.
Nun war Überlebens-Unterricht.
Die Pflanzen fressenden Tiere wurden von Frau Aguti unterrichtet, was sie auf keinen Fall fressen dürfen, woran sie Raubtiere von Artsgenossen (also Pflanzen fressenden Tieren) unterscheiden konnten (manche kleinen Tierkinder konnten diese beiden Sachen nämlich noch nicht so gut auseinanderhalten), wie sie Raubtiere abhängen konnten, wenn sie auf der Flucht waren, und wie sie am schnellsten sein konnten.
Die Allesfresser und Vögel wurden von Frau Wasserschwein darüber unterrichtet, welche Säugetiere und Früchte für sie gutes Futter waren und welche nicht gut oder giftig waren, und wie sie sich tarnen konnten.
Die Fleisch fressenden Tiere wurden von Herr Kaiman und von Jaguar, der nämlich sitzengeblieben war und schon viel Erfahrung hatte, weil er schon etwas älter als die anderen war, darüber unterrichtet, welche Tiere sie jagen sollten, welche Beutetiere viel Fleisch hatten und gut schmeckten, wie sie so lange wie möglich so schnell wie möglich rennen konnten, wenn sie Beutetiere verfolgten, bis diese außer Atem waren, und wie sie sich leise und lautlos an das Beuteopfer heranpirschen konnten und es dann anfallen konnten.
Dann war Mittagessen. Die Raubtiere waren alle gezwungen, ihr eigenes erlegtes Fleisch mitzubringen und keine Klassenkameraden zu fressen. Frau Harpye hatte es ihnen so streng klargemacht, dass sie alle gehorchten. Auch für die Allesfresser galt diese Regel.
Das Mittagessen wurde auf dem Schulhof (also auf dem Bereich um die große Palme herum) gegessen. Tukan, Affe und Leopard mischten sich wieder unter Leopards Fans und hofften, etwas interessantes aufzuschnappen. Also schwiegen sie und belauschten die anderen. Leider kam nichts besonderes heraus. Tukan, Affe und Nilpferd gaben aber nicht auf.
"Leute", wisperte Tukan, "wenn alle nach Hause gehen, beobachten wir Leopard und gucken, ob er was mit Rostkatze macht. Okay?"
"In Ordnung", flüsterte Affe.
"Geht klar", kicherte Nilpferd.
Ozelot kam verspätet zum Essen und ließ sich neben den 3 Freunden nieder. Er sah ziemlich niedergeschlagen aus und kaute an einem großen Stück Fleisch herum.
"Ist was?", fragte Tukan.
"Ich hab wieder ein OJE bekommen", murmelte Ozelot. "Ich muss sicher auch noch heute und die ganze Woche bei euch übernachten. Meine Eltern würden ausrasten und komplett durchdrehen, wenn sie erfahren, dass ich noch ein OJE bekommen hab, undzwar diesmal auch noch nur, weil ich in letzter Zeit superschlecht gelernt hab."
Tukan sah erschrocken zu Affe und Nilpferd. Ozelot musste wieder bei ihnen übernachten! So konnten sie nicht ungestört über Leopards Verhalten diskutieren!
"Na, was ist denn?", fragte Ozelot, ohne von seinem Stück Fleisch hochzusehen.
"Weihen wir ihn ein?", wisperte Tukan.
Affe und Nilpferd nickten stumm.
"Also", sagte Tukan leise an Ozelot gewandt. "Wir wollen herausfinden, ob Leopard auch in Rostkatze verknallt ist. Deshalb belauschen wir ihn und horchen Rostkatze aus. Wir beobachten die beiden auch. Noch haben wir leider aber nichts herausgefunden. Willst du bei uns mitmachen?"
Ozelots gelbe Augen leuchteten auf. "Ja! Ich belausche Leopard sowieso sehr gerne!"
"Gut", sagte Tukan und schmunzelte Affe und Nilpferd zu. "Unser nächstes Ziel ist, Leopard zu beobachten, wenn alle nach Hause gehen, und zu gucken, ob er was mit Rostkatze macht. Kommst du dann mit?"
"Klar", sagte Ozelot und widmete sich wieder seinem Stück Fleisch.
Als Schulschluss war, warteten Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot, bis die meisten gegangen waren, und beobachteten dann Leopard. Tatsächlich, er war noch nicht gegangen. Wartete er auf jemanden? Auf... Rostkatze? Oder wartete er doch nicht auf jemanden? Oder erwartete Leopard jemanden? Er schien es jedenfalls nicht eilig zu haben, im Gegenteil! Er legte sich ins hohe Gras und verabschiedete sich von den letzten Fans und Anhängern, die jetzt gingen. Wären sie Menschen und Leopard ein König der sozialen Medien, würden die Anhänger Follower heißen.
Als der letzte Anhänger oder Fan gegangen war, schnurrte Leopard leise und blickte in eine Richtung. Man sah ihm an, dass er seine Beobachter nicht bemerkt hatte.
Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot folgten seinem Blick und versuchten, etwas zu entdecken. Plötzlich entdeckte Ozelot mit seinen guten Augen und seinem scharfen Blick zwei kleine, grün-gelbe Augen in der Ferne, die Leopard anfunkelten. Vielleicht waren es Rostkatzes Augen! Mit einem kleinen Stupser machte er seine 3 Freunde auf das Gesehene aufmerksam. Nun bemerkten Tukan, Affe und Nilpferd die kleinen grün-gelben Augen ebenfalls und gaben ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass sie sie jetzt auch gesehen hatten.
Die kleinen Augen wurden immer kleiner, Rostkatze schien sich also immer weiter weg zu bewegen. Vermutlich musste sie nun nach Hause gehen. Als ihre Augen nur noch kaum zu sehen waren, wandte Leopard sich ab und versank in seinen Gedanken. Er trieb immer weiter weg von der realen Welt und Tukan, Affe, Nilpferd und Ozelot fanden es nicht mehr sinnvoll, ihn zu beobachten. Die 4 Tierkinder machten sich auf den Weg zu Tukans Baum und besprachen dort ihre Vermutungen.
"Ich vermute immer noch stark, dass Leopard auch in Rostkatze verknallt ist, obwohl er es nie zugibt und ihr noch nie Liebesbriefe geschrieben hat", erklärte Affe.
"Woher weißt du, dass er Rostkatze keine Liebesbriefe schriebt?", fragte Tukan.
"Hat Rostkatze gesagt, als ich sie ausgehocht hab", antwortete Affe.
"Vielleicht hat sie aber auch gelogen", vermutete Nilpferd.
"Stimmt", sagte Affe. "Daran hab ich noch gar nicht gedacht. Ou. Mist. Dann wissen wir ja gar nichts."
"Schien sie denn so, als würde sie lügen?", fragte Tukan. "Mir kommt sie eher nicht wie eine Lügnerin vor."
"Also ich finde, sie klang ganz ehrlich", sagte Affe.
"Ich kann mir auch nicht gut vorstellen, dass sie gut lügen kann", sagte Ozelot.
"Okay, also sie hat doch nicht gelogen. Dann wissen wir also, dass Leopard Rostkatze noch nie gesagt hat, dass er in sie verknallt ist und ihr nie einen Liebesbrief geschrieben hat. Außerdem wissen wir, dass er ihre Augen beobachtet hat", fasste Tukan die Lage zusammen.
"Stimmt", sagte Ozelot. "Das hat er ja auch noch gemacht. Wir wissen aber nicht so genau, ob das wirklich Rostkatzes Augen waren, zu denen Leopard die ganze Zeit geguckt hat, oder vielleicht doch die von wem anders."
"Doch, doch, das waren Rostkatzes Augen, da bin ich mir ganz sicher!", sagte Affe. "Als ich sie ausgehorcht hab, hab ich ihre Augen beobachtet, das waren auf jeden Fall die selben." Er katapultierte eine orangene Frucht in seinen Mund.
"Gut", sagte Tukan. "Also waren bisher alle Beweise, die wir gesammelt haben, richtig. Wir können uns trotzdem aber noch kein richtiges Bild aus unseren Informationen machen. Wir sind uns nur sicher, dass Rostkatze in Leopard verknallt ist. Weitere Sachen wissen wir noch nicht so richtig, vor allem über Leopard und seine Meinung über Rostkatze. Es war nämlich schon ziemlich verräterisch, dass er ganz lange zu ihren Augen geguckt hat, aber er hat ihr ja noch nie einen Liebesbrief geschrieben oder so etwas ähnliches in der Art. Hm, ganz schon verzwickt, das Ganze! Wir müssen auf jeden Fall weiterforschen in der Sache!"
"Ja, wirklich", sagte Nilpferd. "Und ich finde auch: Hm, alles ganz schön verzwickt!"
Alle lachten.
Nilpferd war nicht sehr schlau, jedenfalls auf jeden Fall nicht schlauer als Tukan, aber er war ganz lustig und zitierte gerne andere, wenn er ihnen zustimmte und ihre Meinung für richtig hielt.

Kapitel 2: Ozelot hat Todesangst

Viele Tierkinder waren enttäuscht, dass ihnen ganz viel von ihrer spaßigen Pausenzeit weggenommen wurde. Sie waren wütend auf Frau Harpye und Frau Nasenbär. Frau Wasserschwein konnte ja nichts dafür. Und Herr Gürteltier, Herr Kaiman und Frau Aguti waren ja gar nicht mal beteiligt an der Sache.
Tukan spielte mit Affe auf einer Palme und Affe musste es aushalten, nicht herunterzuspringen, weil unten ein verlockender kleiner Tümpel war, in den Affe am liebsten hereingesprungen wäre und ausgiebig gebadet hätte. Nilpferd schaute Tukan und Affe vom Tümpel aus zu und gab Affe Ratschläge.

Tapir, Krokodil, Jaguar, Kasuar und Chamäleon liefen hinter Leopard her und schrien ihm zu, was er alles mit Frau Harpye und Frau Nasenbär machen konnte. Leopard selbst schien ein bestimmtes Ziel zu haben. Auf seinen weichen Tatzen schlich er vor Tapir, Krokodil, Jaguar, Kasuar und Chamäleon voran und schien nach etwas zu suchen. Schließlich fand er das, was er suchte: Ozelot.
Ozelot schnurrte, als er Leopards bedrohliches Lächeln sah. Er konnte nicht richtig knurren, das konnte kein natürlicher Ozelot. Deshalb schnurrte er. Man erkannte aber, dass er es nicht friedlich meinte. Er schnurrte wütend.
Leopard stand eine Weile vor ihm, dann sprang er auf ihn zu und riss sein Maul weit auf. Ihm entfuhr ein lautes Fauchen.
Ozelot wich geschickt aus. Jede von seinen Bewegungen war geschmeidig und perfekt.
Leopard jagte Ozelot einen Baum hoch. Er tat so, als würde er nicht hochkönnen, doch wie ihr wahrscheinlich schon wisst, sind Leoparden eigentlich ausgezeichnete Kletterer. Als Ozelot ganz oben war und dachte, er hätte Leopard abgehängt, sprang dieser mit einem Satz auf einen Ast und kletterte von da aus zu Ozelot.
Ozelot schwitzte. Er saß in der Falle. Wenn er von hier aus, vom allerhöchsten Punkt, herunterspringen würde, wäre er tot. Atemzug um Atemzug verging für ihn in riesiger Todesangst. "Wirst du mich töten?", keuchte er schließlich. Er sah Leopard aus großen Augen an und man sah in ihnen förmlich die Angst flackern.
Inzwischen hatten sich schon alle Tierkinder um den Baum versammelt und sahen gebannt zu. Alle warteten in ängstlicher Stille.

Schließlich lächelte Leopard sein bedrohliches Lächeln und sagte mit rauer Stimme: "Nein." Er machte eine Pause und ließ das Wort seine Wirkung tun, dann fuhr er fort: "Das ist verboten. Man darf nicht auf dem Schulhof töten. Erst, wenn man ein ausgewachsenes Tier ist. Dann schon. Man darf nur üben." Und er sprang vom Baum und lief gefolgt von Tapir, Krokodil, Jaguar, Kasuar und Chamäleon in einen anderen Teil des Schulhofs.
Ozelot kletterte erleichtert auf einen Ast weiter unten und machte es sich gemütlich. Keiner beachtete ihn weiter, aber diesmal war es ihm recht. Er wollte allein sein und schlafen.
Frau Aguti und Frau Wasserschwein hatten Pausenaufsicht. Nun war die Pause zu Ende; schließlich war sie auf ein Drittel der normalen Pausenzeit reduziert worden. Frau Wasserschwein rief: "Pausenschluss!"
Die Tierkinder trotteten zur großen Palme und ließen sich nieder.
Jetzt kamen Frau Harpye, Herr Gürteltier und Frau Nasenbär für den weiteren Unterricht. Frau Aguti hatte die drei darüber in Kenntnis gesetzt, was zwischen Ozelot und Leopard vorgefallen war, und Leopard bekam von Frau Harpye ein OJE. Es war ein Zettel, auf dem ein großes, großes OJE stand und darunter noch, was Leopard gemacht hatte. So etwa sah es aus:

OJE!
Du hast Ozelot  in Todesangst versetzt  und ihn stark bedroht!
Wenn du über 10 OJES hast, fliegst du von der Schule!
Natürlich waren die OJEs auf der Tierschule nicht gerade professionell. Auf Menschenschulen waren sie sicher noch viel komplizierter und ganz anders mit Tabellen und drum und dran.
Nachdem Frau Harpye Leopard das OJE gegeben hatte, befahl sie den Tierkindern, schreiben zu lernen, damit sie auch OJEs schreiben konnten, wenn sie etwas schlimmes beobachteten, und damit die Lehrer und Lehrerinnen sich nicht immer die Mühe machen mussten, angestrengt OJEs zu schreiben.
2 Wochen lang (also 14 Tage lang) gaben sich Frau Wasserschwein, Frau Aguti, Herr Kaiman, Frau Nasenbär, Herr Gürteltier und Frau Harpye alle Mühe, den sturen Tierkindern das Lesen und Schreiben beizubringen. Am Ende wurden Frau Harpye, Frau Nasenbär, Herr Gürteltier und Herr Kaiman sogar gewalttätig. Schließlich schafften die Tierkinder es mit Ach und Krach, das Alphabet zu erlernen. Frau Wasserschwein schlug ihnen vor, regelmäßig Briefe zu schreiben, um die Kenntnisse in Rechtschreibung und Grammatik nicht zu verlernen.
Die Tipps von Frau Wasserschwein waren immer willkommen und wurden sofort genutzt. Die Tierkinder schrieben sich tatsächlich Briefe. Jeder bekam einen persönlichen Briefkasten, persönliches Papier und einen persönlichen stumpfen Bleistift, was schon ein großer Luxus war.
Am nächsten Tag war in Tukans Briefkasten ein Brief angekommen. Er war von Affe und sah so aus:
Hallo Tukan! Wollen wir uns morgen tref
fen? Ich weiß schon, welchen Treffpunkt wir nehmen können. Wir können uns beim Tümpel treffen. Ich habe auch schon Nilpferd gefragt. Er will auch mitmachen. Ist das ok? Was wollen wir spielen?
Dein Af
fe🙈
Tukan freute sich riesig, Post zu kriegen. In der Schule wartete er, bis Briefe-Stunde mit Frau Wasserschwein war, dann schrieb er an Affe:
Hallo Affe!
Wir können uns sehr gerne verabreden! Auch mit Nilpferd! Ich freue mich schon darauf!
Dein Tukan🐦
In Leopards Briefkasten lagen jede Menge Briefe. Einige davon sahen so aus:
Hallo Leopard
Die Sache mit Ozelot war echt krass. Ich finde, du sollst OJEs sammeln und dann welche wegschmeißen damit du nicht von der Schule fliegst.
TAPIR
🖔
Leopard hatte ihm geantwortet:
Hallo Tapir
Ich sammele schon OJEs. Frau Harpye will das auch, damit ich immer weiß, wann ich über 10 Ojes hab & von der Schule fliege.
Leopard🐆😼
Ein anderer Brief, den Leopard bekommen hatte, sah so aus:
Spiel den Lehrerinnen noch mehr Streiche! Dann hast du nämlich über 10 OJEs und fliegst von der Schule! Haha! Hihi! Dann verdränge ich dich wieder!
Ozelot😾

Leopard ging natürlich nicht darauf ein.
***
Es war Wochenende. Tukan spielte auf seinem Ast mit Affe. Tukans Eltern suchten Nahrung und ließen die beiden Freunde friedlich spielen.
Plötzlich hörten Tukan und Affe ein schnelles Trippeln . Es war Ozelot, der zu ihnen auf den Baum kletterte. "Tukan! Affe!", japste er und sah sich um, um zu gucken, ob jemand hinter ihm her war. "Leopard hat meinen Brief gelesen und Rache geschworen! Dann hat er mich bis zum Baum von meinen Eltern gejagt! Ich hab ihnen alles erzählt und dann haben sie mich vom Baum gejagt! Sie finden es nämlich schrecklich, dass ich nicht gut lerne und immer so streng gegen Leopard bin! Ich versteh das einfach nicht, meine Eltern, die mögen Leopard irgendwie. Keine Ahnung, was in die gefahren ist! Die haben einmal seine Rosetten gesehen und jetzt sind sie verrückt nach ihm! Wie eitel muss man sein, dass man mein Fell nicht mehr gut genug findet..." Er schnappte nach Luft und wollte weitererzählen, da sagte Tukan langsam: "Stoppstoppstoppstoppstopp. Du kannst eine Nacht hier übernachten und dann gucken, ob deine Eltern immer noch so fuchsteufelswild sind."
"Natürlich werden sie's sein!", schrie Ozelot. "Sie sind jetzt schon seit gestern so durchgedreht! Ich bin wie von der Tarantel gestochen gerannt, bis sie nicht mehr in Sicht waren! Ich weiß gar nicht, wann die wieder normal werden!"
"Natürlich dann, wenn du wieder besser lernst und nicht mehr so stark gegen Leopard bist. Dann beruhigen sie sich sicher", meinte Tukan ruhig.
"Ich will aber nicht besser lernen!", schrie Ozelot. "Und ich werde immer gegen Leopard sein, selbst nach seinem Tod! Und zwar genauso stur wie jetzt!"
Tukan seufzte. "Affe, was machen wir?"
"Wir lassen Ozelot hier übernachten! Ist doch klar!", sagte Affe, während er sich von einem dicken Ast zu einem dünnen schwang.
Ozelot hörte gar nicht zu. "Ehrlich, ich hab vor meinen Eltern jetzt noch mehr Angst als damals vor Leopard! Ich muss hier eine Woche schlafen, bis die sich wieder beruhigen!"
"Na gut", sagte Tukan.
Und so schlief Ozelot in dieser Woche jede Nacht bei Tukan. Weil Tukan nicht allein mit seinen Eltern und Ozelot schlafen wollte, war Affe dabei.
Manchmal, wenn Tukan nachts aufwachte, sah er plötzlich zwei schmale, gelbe Augen mitten in der Schwärze der Nacht leuchten. Es waren Ozelots Augen. Denn Ozelot war eigentlich nachtaktiv und erkundete den tukan'schen Baum. Durch die Schulpflicht hatte er es sich aber angewöhnt, auch tagsüber aktiv zu sein. Er erkundete aber nicht nur den Baum, er war auch wach, weil er stets auf der Hut sein musste, weil seine Eltern oder Leopard jederzeit auftauchen konnten. Natürlich schlief er auch, aber er schlief eben nicht viel. Bei jedem kleinsten Geräusch wachte er auf und sah sich ein wenig ängstlich um. Und immer waren es weder seine Eltern noch Leopard, sondern nur knackende Äste, das Schnarchen von Affe oder irgendwelche anderen unwichtigen Sachen. Trotzdem schlief Ozelot ständig in großer Angst und hatte einen sehr leichten Schlaf.

Kapitel 1: Frau Wasserschwein hat Ärger bekommen

Die Sonne ging auf. Ihre Strahlen erreichten sogar Tukans Ast.
Tukan wachte auf. Er blinzelte einmal und gähnte. Dann breitete er seine Flügel aus und flog los zur Dschungelschule. Er war mal wieder einer der frühsten. Andere waren dafür bekannt, immer zu spät zu kommen, zum Beispiel Affe oder Leopard.

Tukan ging auf eine Tierschule. Tierschulen waren ganz anders als Schulen, auf die Menschen gingen. Die Tierkinder hatten keine Fächer wie Sprache oder Mathematik, sondern ganz andere Fächer. Sie schrieben auch nicht mit Stiften, nicht mal mit Bleistiften. Füller gab es schon gar nicht. Nicht einmal Kreide, mit der man an eine Tafel malen konnte. Es gab gar keine Tafeln. Tische und Bänke gab es auch nicht. Die Tierkinder lernten gar nicht, wie man schrieb. Sie lernten ganz andere Sachen. Sie lernten, wie man gut im Dschungel lebt und überlebt und ein möglichst langes Leben hat. Es gab spezielle Fachunterrichte für Raubtiere und für Pflanzen fressende Tiere. Die Raubtiere lernten, wie sie sich perfekt und leise an ihre Opfer heranpirschen konnten und wie sie sie anfallen konnten, und die Pflanzen fressenden Tiere lernten, wie sie Raubtiere auf der Flucht am besten abhängen konnten und welche Pflanzen für sie am besten waren.
Tukan war weder ein richtiger Fleischfresser noch ein richtiger Pflanzenfresser. Er fraß meistens Früchte, Insekten und kleine Säugetiere. Für ihn und Tiere, die sich so ernährten wie er, gab es auch einen speziellen Fachunterricht.

Tukan, die Lehrerin Frau Wasserschwein, Nilpferd, Anakonda und Tapir waren schon da.
Frau Wasserschwein war ganz nett. Sie erlaubte zum Besispiel, dass man sich für andere nicht so beliebte Lehrer (zum Beispiel unter anderem die strenge Frau Harpye) lustige Spitznamen ausdachte. Frau Harpye oder Herr Gürteltier zum Beispiel hätten das nie erlaubt. Deshalb mochten die meisten Tierkinder Frau Wasserschwein ganz gerne. Genauer gesagt, sogar fast alle. Nur bei Anakonda konnte man nie wissen, ob sie überhaupt einen einzigen Lehrer mochte. Anakonda hasste es, zu lernen. Meistens hing sie nur über allen anderen an einem Ast und schmiedete irgendwelche Pläne, wie sie den Lehrern ihren Spaß nehmen konnte. Sie war auch immer eine von den frühsten, gemeinsam mit Tukan, Nilpferd und Tapir.

Inzwischen war Ozelot angekommen. Ozelot lernte nicht sehr gut. Meistens verkrümelte er sich irgendwo und machte seine eigenen komischen Sachen, anstatt dem Lehrer zuzuhören. Deshalb waren seine Noten auch nicht gerade gut. Letztes Jahr hatte er eine 4+ gehabt. Früher war er etwas besser gewesen mit einer 3-. Dafür war er aber ziemlich beliebt, jedenfalls bei den Jungs. Viele Jungs fanden ihn nämlich cool, weil er nie lernte und trotz den vielen OJEs und Verwarnungen der Lehrer immer weiter sein eigenes Ding machte. Seit neuestem hatte er jedoch Konkurrenz, denn nun war Leopard, ein Quereinsteiger, auch sehr beliebt. Er machte nämlich noch mehr Quatsch als Ozelot und war noch unverschämter den Lehrern gegenüber. Zum Beispiel die strenge Frau Harpye hatte er schon oft herausgefordert und so doll auf die Palme gebracht, dass sie am Ende schon mit zwei Kokosnüssen ganz oben saß. Er hatte noch viel mehr OJEs als Ozelot und war schon mehrere male fast von der Schule geflogen. Er war auch nur auf diese Schule gekommen, weil er aus der anderen herausgeschmissen worden war. Aber Leopard war nicht nur bei den Männchen beliebt. Nein. Es gab viele Weibchen, die ihn auch cool fanden. Nicht nur aus den Gründen, aus denen die Männchen ihn cool fanden, zum Beispiel auch wegen seinem schönen Fell mit den großen schwarzen Rosetten. Oder weil seine Augen so groß und gelb und leuchtend waren, oder weil er fast immer lächelte. Es war aber kein nettes Lächeln, was er lächelte. Es war ein bedrohliches, furchteinflößendes Lächeln, das selbst manche Lehrer einschüchterte. Die Weibchen, die Leopard nicht cool fanden, fürchteten sich vor ihm. Zu diesen Weibchen gehörten viele Pflanzen fressende Weibchen. Manche Weibchen fanden ihn aber weder cool noch beängstigend. Es waren die, die ihn lästig und nervig und uncool und unausstehlich fanden und ihn ignorierten. Davon gab es auch ein paar.
Tukan war ein Männchen, das nicht viel von Quatsch und Widerstand gegen die Lehrer hielt. Er mochte Leopard nicht sehr gerne. Genau gesagt, er mochte ihn gar nicht. Aber er unternahm nichts gegen ihn, damit er nicht ausgeschlossen wurde. Außerdem wollte er sich in solche Sachen sowieso nicht hereinsteigern. Wenn er einmal etwas gegen Leopard sagte, würde der sicher davon erfahren und dann Rache schwören. Ja, genau, er schwor nämlich immer Rache. Und man konnte nie wissen, wann er sich an einem rächte.

Inzwischen waren Tukan, Frau Wasserschwein, Nilpferd, Anakonda, Tapir und Ozelot nicht mehr allein. Unter anderem Hyazinthara, Faultier, Ameisenbär, Krokodil, Okapi, Chamäleon, Papagei, Paradiesvogel, Jaguar und Kasuar waren auch gekommen. Sie kamen immer alle zusammen. Sie wohnten nämlich alle in der Nähe und nahmen immer zusammen das Landfloß. Das Landfloß war ein Floß, das irgendwann einmal durch irgendeinen Zufall im Dschungel gelandet war und jeden Tag von Okapis Mutter zur Schule, also der großen Palme und all dem, was um sie herum wuchs, gezogen wurde. Hyazinthara, Faultier, Ameisenbär, Krokodil, Okapi, Chamäleon, Papagei (Ara), Paradiesvogel, Jaguar und Kasuar konnten sich dann auf das Floß stellen und wurden von Mutter Okapi im Galopp zur Schule gezogen.
Nun fehlten nur noch Affe, Leopard und Zwergameisenbär.
Affe war Tukans bester Freund. Er kam immer zu spät, weil er immer verschlief und dann noch irgendeinen Schabernack machte. Er war aber lustig und Tukan mochte ihn gerne. Und Frau Wasserschwein war so nett und wartete, bis alle anwesend waren, um erst dann mit dem Unterricht anzufangen. Meistens dauerte es so lange, bis wirklich jeder einzelne Schüler angekommen war, dass inzwischen schon Pause war und nur noch für den Teil nach der Pause Schule war. Aber bei Frau Wasserschwein ging das.
Zwergameisenbär kam immer zu spät, weil sie Angst vor der Schule, vor den Lehrern und vor Leopard, Ozelot und anderen Jungs hatte und sich jeden Tag aufs neue von ihrer Mutter überreden lassen musste, die Schulpflicht einzuhalten, sich nicht feige krankzumelden und schließlich doch wohl oder übel zur Schule zu gehen.
Leopard kam immer zu spät, weil er damit die Lehrer ärgern wollte und möglichst in den Unterricht hereinplatzen wollte, um zu stören und noch mehr bemerkt zu werden. Er liebte es nämlich, Aufsehen zu erregen.

Nun war Zwergameisenbär angekommen. Sie kletterte langsam an der großen Palme, die die Schule war, hoch, und setzte sich dann zu Hyazinthara, die das Tierkind war, was sie noch am meisten mochte. Leider kam es oft vor, dass Hyazinthara ein bisschen über Zwergameisenbär bestimmte und es ausnutzte, dass sie so klein und schüchtern war, deshalb war Zwergameisenbär die Lust aufs Zur-Schule-Gehen am nächsten Tag natürlich mal wieder verdorben.
Dann kam Affe. Er kletterte schnell die Palme hoch und setzte sich zu Tukan. Sofort fing er an, seinen üblichen Schabernack zu machen. Er begrüßte überfröhlich Frau Wasserschwein, machte auf ihr einen Handstand, tänzelte herum, schrie "Wer hat die Kokosnuss geklaut?" und schwang sich an den großen Blättern der Palme umher, dass Zwergameisenbär fast herunterfiel. Dann tat er ganz brav und machte sich ganz klein, weil er sich nicht merken konnte, dass Frau Wasserschwein die nette Lehrerin war. Als er merkte, dass sie ihn gar nicht mit strengem Blick beobachtete, setzte er sich zu Tukan und laberte auf ihn ein. Dass er plötzlich einfach so draufloslaberte, war eine Angewohnheit von ihm, die man ihm nicht übel nehmen sollte. Ihm konnte sowieso keiner was übel nehmen, außer vielleicht Frau Harpye, Herr Gürteltier, Anakonda und Leopard. Frau Harpye, weil sie so böse war und jedem alles übel nahm, Herr Gürteltier, weil er immer so streng war und einem jeden Quatsch übel nahm, Anakonda, weil sie jedem heimlich mal was übel nahm und schon jeden mal angezischt hatte, und Leopard, weil er immer Rache schwor und Affe nicht Teil von seinen Anhängern und Cool-Findern war.

Plötzlich sagte Frau Wasserschwein: "Liebe Schüler und Schülerinnen, heute kann ich leider nicht bis zur Pause warten, bis alle da sind, ich muss leider jetzt schon mit dem Unterricht beginnen."
"WARUM?", schrie Ozelot.
Tapir, Jaguar, Kasuar, Krokodil und Chamäleon lachten und riefen auch: "Warum?"
Frau Wasserschwein sah die sechs lachenden und schreienden Männchen (Ozelot, Tapir, Jaguar, Kasuar und Chamäleon) an und sagte: "Ich hab Ärger von Frau Harpye und Frau Nasenbär, der Klassenleiterin, bekommen, Sie haben mir gesagt, dass ich nicht fleißig genug bin und nicht immer warten darf, bis alle da sind, weil ich so ganz viel Zeit schwänze. Dann haben sie gesagt, dass ich strenger sein soll und euch nicht so viel Freiheit lassen darf und dass ich euch mehr Druck machen muss, damit ihr besser lernt. Und sie haben mir gesagt, dass ich euch nicht so viel Zeit für das Mittagessen lassen darf und die Pausenzeit auf ein Drittel der normalen Pausenzeit minimieren muss."
Da kam Leopard herein. Auf seinen lautlosen, samtigen Pfoten hatte ihn niemand gehört. Er kam direkt auf Frau Wasserschwein zu, riss sein Maul auf und fauchte so laut, dass alle es hören konnten und verstummten: "Aber mir, mir, Leopard, lässt du die normale Pausenzeit!"
Ein paar Weibchen kicherten.
Tapir, Jaguar, Kasuar, Krokodil und Chamäleon klatschten.
Ozelot schnurrte.
Tukan gähnte.
Zwergameisenbär versteckte ihren Kopf.
Affe machte Schabernack.
"Vor allem dir, Leopard, kann ich die normale Pausenzeit schon gar nicht lassen", sagte Frau Wasserschwein traurig. "Wie gerne ich mich auch weigern würde. Aber wenn Frau Harpye und Frau Nasenbär Druck machen, dann machen sie Druck, und wenn ich nicht das mache, was sie sagen, werde ich gefeuert."
Leopard lächelte sein bedrohliches Lächeln. "Dann..." Den Rest konnte man nicht mehr verstehen. Man hörte nur, dass er etwas murmelte, aber was, das konnte man nicht verstehen.
Frau Wasserschwein räusperte sich. "So, jetzt fange ich mit dem Unterricht an. Ich unterrichte wieder wie üblich die Vögel und Allesfresser. Gleich kommen noch Herr Kaiman für den Fachunterricht für Fleischfresser und Frau Aguti für die Pflanzenfresser."
Der Unterricht dauerte 45 Minuten. Na ja, eher 47 Minuten. Die alte Sanduhr von Frau Wasserschwein war nämlich nicht auf die Sekunde genau eingestellt und da die allermeisten Tiere sich nicht sehr gut mit Zahlen auskannten, blieb das fürs Erste so und alle konnten gut damit leben. Schließlich waren zwei Minuten mehr oder weniger auch nicht der Weltuntergang, außer vielleicht für einen Perfektionisten, den es unter den Tieren aber nicht gab.
Als der Fachunterricht vorbei war, war Pause. Undzwar eine Pause, die auf ein Drittel der normalen Pausenzeit gekürzt war.

😰

Inhalt

Kapitel 1: Frau Wasserschwein hat Ärger bekommen

Kapitel 2: Ozelot hat Todesangst

Kapitel 3: Der Liebesbrief

Kapitel 4: Ein Kampf ohne Blut

Kapitel 5: Die Obstinsel

Kapitel 6: Affe kriecht

Kapitel 7: Die gesprächige Rostkatze und die schweigsame Rostkatze

Kapitel 8: Ozelot verschweigt etwas

Kapitel 9: Alt-neue Pausenzeit

Kapitel 10: Ozelot statt Leopard

Kapitel 1: Frau Wasserschwein hat Ärger bekommen

Die Sonne ging auf. Ihre Strahlen erreichten sogar Tukans Ast. Tukan wachte auf. Er blinzelte einmal und gähnte. Dann breitete er seine Fl...